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Filmkritik

Grüsse aus Fukushima

| Pamela Jahn |
Doris Dörrie auf Spurensuche in der japanischen Unglücksregion

Sehe ich richtig aus? Verdiene ich genug Geld? Bin ich glücklich? Das sind die Fragen, die Marie (Rosalie Thomass) umkreisen, als sie sich mit ihren sieben Sachen auf den Weg nach Japan macht, um sich dort selbst wiederzufinden, nachdem sie in Deutschland ihre große Liebe verloren hat.

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Dabei verschlägt es sie ausgerechnet in die Sperrzone um Fukushima, in der vor fünf Jahren ein Erdbeben eine nukleare Katastrophe ausgelöst hat. Und noch schlimmer: Als Möchtegern-Clown soll sie dort die zurückgebliebenen, heimatlosen Opfer des Atomunglücks mit ein paar Witzen und Hula-Hoop-Hüftschwüngen aufheitern. Dass Marie damit nicht weit kommt, ist vorprogrammiert, und so beschließt sie kurzum, sich stattdessen mit Satomi (Kaori Momoi) zusammenzutun, einer ehemaligen Geisha, die sich nicht von ihrem alten Haus in der atomar verstrahlten Gegend trennen kann. Obendrein hat ihr der Super-GAU auch ihre einzige Schülerin im Dorf genommen, und so nimmt sich schließlich die nicht wenig ungeschickte Marie der schwierigen Aufgabe an, bei Satomi in die Schule zu gehen und zu lernen, worauf es im Leben wirklich ankommt.

Einmal mehr geht es in Grüße aus Fukushima um Menschen, die sich noch einmal neu erfinden, sowie um die Gegensätze, die sich in Doris Dörries Filmen immer wieder gerne anziehen, ob zwischen zwei Frauen, zwei Generationen oder zwei Kulturen. Wobei die Regisseurin vor allem für Letzteres ein bemerkenswertes Feingefühl entwickelt hat. Das mag daran liegen, dass sie selbst seit Jahren dem Land und der Mentalität seiner Einwohner verfallen ist, was sie bereits mehrmals auch in ihren früheren Arbeiten thematisierte, von der Zen-Kloster-Komödie Erleuchtung garantiert (2000) über die Koch-Dokumentation How to Cook Your Life (2007) bis hin zu ihrem großen Publikumserfolg Kirschblüten (2008), mit dem sie Elmar Wepper einen späten Kinotriumph bescherte.

Glück, sagt Doris Dörrie selbst, sei etwas, für das man sich entscheiden kann. Dazu gehört beispielsweise auch der Beschluss, sich nicht länger als Opfer zu sehen, auch wenn das, wie bei Satomi, objektiv der Fall ist. Tatsächlich müssen in Grüße aus Fukushima jedoch beide Frauen lernen, sich aus dem Gefängnis ihrer Erinnerungen zu befreien. Auf ihrem Weg dahin gelingt es Dörrie, ihrem Film eine sinnliche Kraft zu verleihen, die berührt und sich im Zusammenspiel mit dem Schwarzweiß der Bilder, die sie auf ihrer Spurensuche durch das erschütterte Land findet, zu einem poetischen, mitunter amüsanten und durchaus sehenswerten Wohlfühldrama zusammenfügt.