ray Filmmagazin » Drama » Der Nachtmahr

Filmkritik

Der Nachtmahr

| Alexandra Seitz |
Ungewöhnlicher phantastischer Film, mitten aus dem Teenager-Leben gegriffen

„Nachtmahr“ lautet eine veraltete Bezeichnung für Albtraum. Nachtmahr kann aber auch den „Nachtalb“ meinen, ein Fabelwesen, das den Menschen nächtens Grauen einflößt. Johann Heinrich Füssli hat es gleich mehrmals gemalt; es hockt auf der Brust einer schlafenden Frau, und im Hintergrund hat sich ein weißäugiger Pferde-kopf durch einen Vorhang geschoben. Groß ist es nicht, aber grässlich, und eigentlich möchte niemand einen Nachtmahr in seiner Nähe haben. Auch die 17-jährige Tina nicht. Und doch ist er plötzlich da, ein kleiner verbeulter Wurm, hässlich wie die Nacht, und sorgt für Ekel und Entsetzen. Erst frisst er den Kühlschrank leer, dann kriecht er zu ihr ins Zimmer und knattert und keckert vor dem Fernseher vor sich hin. Hartnäckig sucht er Anschluss an das untergewichtige Mädchen, das allmählich begreift, dass das abscheuliche Wesen ein Teil ihrer selbst sein könnte, den es gegen die Zurichtungen der Erwachsenenwelt zu schützen gilt.

Werbung

Die Geschichte von Akiz’ eigenwilligem phantastischen Film Der Nachtmahr könnte der Schwarzen Romantik entstammen, sie ist aber irgendwo am Rande des gegenwärtigen Berlin angesiedelt, dort, wo die digitale Jugend in aufgelassenen Freibädern donnernd laute Techno-Partys feiert und seltsamste Drogen nimmt. Wie groß jeweils die Anteile von rauschmittelinduzierter Halluzination, psychosenmotivierter Wahnvorstellung oder hungerbedingtem Albtraumgesicht an der Existenz des kleinen Krachmonsters sind, lässt sich nicht recht entscheiden. Eine permanente Unschärfe, die im Übrigen mit der stetig changierenden Perspektive der Narration korreliert: Mal ist es der besorgte Blick der Eltern, der eine Szene bestimmt, mal der mitleidige der Freunde und Freundinnen, mal der irritiert-hämische der Mitschüler – und immer mittendrin Tina, die versucht, sich zu behaupten und Herrin der Lage zu werden. Schon lange nicht mehr wurde der Schrecken des Heranwachsens derart schlüssig in ein metaphorisches Bild gesetzt und ist dabei doch im Konkreten geblieben. Schon lange nicht mehr wurde mit derartiger Zuneigung, tiefem Verständnis und unbekümmert um Konventionen vom Monströsen als dem Menschlichen immanent erzählt.

Der Nachtmahr ist der erste Teil der von Akiz’ geplanten „dämonischen Trilogie“, die sich um „Geburt, Liebe, Tod“ drehen wird. Gemessen am fulminanten Auftakt dürfen die Erwartungen an das Kommende ruhig etwas höher ausfallen.