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Filmkritik

24 Wochen

| Kirsten Liese |
Eine werdende Mutter steht vor einer schwierigen Entscheidung.

Astrid weiß, was sie will. Die Kabarettistin hat sich ihren Traumberuf erfüllt, mit ihrem Freund Markus eine solide Beziehung aufgebaut, eine schicke Neubauwohnung eingerichtet, und das zweite Wunschkind ist unterwegs. Aber dann trübt eine traurige Diagnose das unbeschwerte Leben der jungen Frau: Das Baby in ihrem Bauch hat das Down-Syndrom. Freunde und Verwandte reagieren verstört, aber Astrid und Markus entscheiden sich dafür, es zu bekommen, bis sich herausstellt, dass es auch einen schweren Herzfehler hat, der komplizierte Operationen ohne aussichtsreiche Überlebenschancen nach sich ziehen würde.

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Inzwischen ist Astrid im sechsten Monat, in diesem Stadium gilt ein Ungeborenes bereits als lebensfähig, deshalb muss dem Fötus beim Schwangerschaftsabbruch eine tödliche Spritze verabreicht werden. Neun von zehn Müttern sollen sich in einem solchen Fall wie Astrid dafür entscheiden. Wiewohl fast die Beziehung daran zerbricht, dass Astrid ihre Meinung revidiert, ist 24 Wochen kein Film, der polarisiert. Allenfalls scheinheilige Lebensschützer mögen für eine verzweifelte Mutter in dieser Situation kein Verständnis aufbringen. Was aber, wenn Astrid schon nach der ersten Diagnose kapituliert – und das Austragen eines behinderten Kindes abgelehnt hätte? Wäre sie dann ein schlechterer Mensch?

Regisseurin Anne Zohra Berrached riskiert keine unbequemen, spannenden Fragen, die moralisch angreifbar machen könnten, beschränkt sich vielmehr auf ein leidvolles, emotional aufwühlendes, alternativloses Szenario. Die Protagonistin verhält sich vorbildlich in ihrem sorgfältigen Abwägen, mit all ihren Selbstzweifeln und der Gewissenhaftigkeit ihrer Überlegungen. Ihre Haltung ist menschlich, aber fast eine Spur zu perfekt. Darin freilich liegt ein lehrstückhafter Zug des Films, untermauert noch durch den Ton des politisch Korrekten: „Downie“ dürfe man sagen, „Mongo“ nicht. Dank dokumentarischer Anflüge wirkt der Film immerhin sehr authentisch. Wie in Andreas Dresens Halt auf freier Strecke, in dessen Mittelpunkt ein Krebskranker steht, spielen Ärzte und Psychologen sich selbst. Auch die Schauspieler sind gut gewählt: Julia Jentsch macht ihre anfangs so selbstbewusste Figur immer stiller und sensibler, bis ihre Dünnhäutigkeit fast körperlich spürbar wird. Gleichzeitig wandelt sich Bjarne Mädel vom servilen Zuarbeiter zum Rebellen, der in der Krise eine neue Rolle als Mann und Familienvater finden muss. 24 Wochen ist zwar kein brisanter Beitrag zu einer ethischen Kontroverse, aber ein aufwühlender, unter die Haut gehender Film.