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The Shallows

Filmkritik

The Shallows – Gefahr aus der Tiefe

| Jörg Schiffauer |
Film is a girl and a shark

Wie im Paradies fühlt sich Nancy Adams (Blake Lively), als sie endlich jenen abgelegen Strand irgendwo in Mexiko findet, von dem ihre Mutter schwärmte und an den sich kaum jemand verirrt. Die Entspannung in der traumhaft schönen Umgebung hat Nancy auch bitter nötig, denn der Tod der Mutter hat die junge Frau, die knapp vor dem Abschluss ihres Medizinstudiums steht, in eine veritable Sinnkrise gestürzt. Also versucht sie, ihre Probleme hinter sich zu lassen und beim Surfen die unbelassene Schönheit dieses Plätzchens zu genießen. Doch die Idylle wird jäh unterbrochen, als Nancy den mit riesigen Bisswunden übersäten Kadaver eines Wals entdeckt. Der Übeltäter, ein Weißer Hai, ist jedoch nicht fern und attackiert gleich einmal Nancy. Schwer am Bein verletzt, kann sie sich gerade noch auf einen kleinen Felsen retten, den der Hai fortan umkreist – der rettende Strand, obwohl kaum 200 Meter entfernt, scheint unerreichbar.

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The Shallows gibt nicht vor, das Kino neu erfinden zu wollen. Doch er repräsentiert jenes Genrekino, das es zwischen hoch budgetierten Blockbustern und Arthouse-Filmen immer schwerer hat, einen Platz zu finden. Dabei ist The Shallows eine feine Genrearbeit, die in ihrer konzeptionellen Reinheit ein wesentlicher Teil dessen ist, was Kino ausmacht. Wie in jedem guten Genrefilm findet sich ein übergeordnetes Grundmotiv – hier die Konfrontation des zivilisationsverwöhnten Menschen mit der archaischen Gewalt der Natur –, doch man muss dabei nicht gedanklich über drei Banden spielen, um die pure Lust am filmischen Text zu empfinden. Jaume Collet-Serra, der bislang vor allem diverse Action-Auftritte von Liam Neeson in Szene gesetzt hat, inszeniert The Shallows als erfrischend geradlinigen Survival-Thriller, der den Genrekanon stilsicher rezitiert, nebenbei in einer Sequenz Spielbergs Jaws seine Reverenz erweist und dabei alle spannungstechnischen Anforderungen an einen richtigen „nail-biter“ prächtig erfüllt.

Ein wesentlicher Anteil am Gelingen ist Blake Lively geschuldet, die mittels einer schauspielerischen Tour de Force die Handlung tragen muss und es dabei versteht, ihr Martyrium beinahe physisch nachvollziehbar zu machen. Über weite Strecken ist sie dabei auf sich allein gestellt, ihr einziger Ansprechpartner und Leidensgenosse ist eine angeschlagene und deshalb zwischenzeitlich fluguntaugliche Möwe, die Nancy so ans Herz wächst, dass sie ihr den Namen Steven Seagull verleiht. Ungeachtet der selbst auferlegten dramaturgischen Reduktionen an Ort und Handlungsfäden, die sich auf die Heldin, einen Hai und einen Felsen beschränken, erweist sich The Shallows als lupenreines Kino, wie es sein soll.