Woody Allen goes to Hollywood
Vielleicht hat man tatsächlich nur eine Chance, Woody Allens neuere Filme zu mögen, wenn man sich davon verabschiedet, dass sie jemals wieder das Kaliber, die Klasse oder den brillant düsteren Wortwitz seiner großen Komödien aus den siebziger und achtziger Jahre erreichen werden. Und auch wer nicht umhinkommt, Vergleiche zu ziehen, hat in jedem Fall mehr davon, wenn er sich lediglich auf die jüngeren Arbeiten bezieht, die angesichts des unermüdlichen Produktionswahns, mit dem Allen weiterhin am Werk ist, mittlerweile längst ihren eigenen Kanon bilden. In dieser Hinsicht ist Café Society sicherlich weniger erfolgreich als Blue Jasmine (2013) oder Midnight in Paris (2011), hat aber allemal mehr Pfiff und Charme als beispielsweise Irrational Man (2015) oder Magic in the Moonlight (2014), und macht vor allem Hoffnung, dass uns derartige Fehltritte wie To Rome with Love (2012) so schnell nicht wieder unterkommen. Im Gegenteil. Abgesehen von den üblichen Motiven wie dem typischen Jazz-Score und Jesse Eisenbergs akkurater Spiegelung der Wesenszüge des neurotisch veranlagten Regisseurs, ist Café Society sogar Allens filmisch anspruchsvollste Inszenierung seit Jahren, was in erster Linie der Kameraarbeit von Vittorio Storaro geschuldet ist, der im Laufe seiner Karriere neben zahlreichen Bertolucci-Filmen unter anderem Apocalypse Now ins rechte Bild rückte, wofür er 1980 seinen ersten Oscar bekam.
Eisenberg spielt den schüchternen Frischling Bobby aus New York, der bei seinem entfremdeten Onkel Phil (Steve Carell) in Los Angeles anheuert, um einen Fuß in die Tür nach Hollywood zu bekommen. Onkel Phil ist Filmagent und obendrein ziemlich gut im Geschäft. Aber auch sein Neffe lernt schnell, und Eisenberg spielt ihn entsprechend clever, unaufgesetzt und wirkungsvoll. Doch natürlich lässt auch die Liebe nicht lange auf sich warten, und so verguckt sich Bobby sogleich auch Hals über Kopf in die adrette Sekretärin Vonnie, das perfekte Mädchen von nebenan, hinreißend gespielt von Kristen Stewart mit der perfekten Mischung aus Passion und Unschuld.
Im Zuge der üblichen Irrungen und Wirrungen eines Allen’schen Drehbuchs finden beide schließlich ihren Weg in die besagten höheren Sphären der Gesellschaft, und die glanzvollen Dreißiger-Jahre-Settings, in denen sie sich bewegen, sind neben dem erstklassigen Spiel aller Beteiligten zweifelsohne mit das Schönste am Film. Zudem scheint sich auch Woody Allen selbst zunehmend in einer Vergangenheit wohl zu fühlen, die jenem glorreichen Hollywood Tribut zollt, das es so vielleicht nie gegeben hat. Bleibt nur zu hoffen, dass diese neue Vorliebe nicht allzu schnell wieder verblasst.