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Florence Foster Jenkins

Florence Foster Jenkins

Musik ist, wenn man trotzdem singt

| Pamela Jahn |
Stephen Frears ist bekannt dafür, in seinen Filmen stets den richtigen Ton zwischen Leichtigkeit und Tiefsinn zu treffen. Seine neueste Tragikomödie „Florence Foster Jenkins“ bezaubert vor allem durch eine wie immer hervorragende Meryl Streep, die jede Note so perfekt verfehlt, dass einem Hören und Sehen vergeht.

Wer vor ziemlich genau einen Jahr über Catherine Frots schräge Arien in Xavier Giannolis Madame Marguerite oder Die Kunst der schiefen Töne schmunzelte, der weiß bereits, worum es hier geht. Allen anderen sei über Florence Foster Jenkins, der Titelfigur in Stephen Frears (Interview) Verfilmung dieser skurrilen aber wahren Persönlichkeit, zunächst nur so viel ans Herz gelegt, als dass es sich um die legendäre, so schwerreiche wie liebenswerte amerikanische Großerbin und selbsternannte Sopranistin handelt, die seit den zwanziger Jahren bis zur ihrem Tod 1944 mit ihren amüsant-qualvollen Musikeinlagen die New Yorker High Society amüsierte. Sie liebte die Künste, allen voran die Oper, und sah sich selbst gern als ihr größter Star. Einziger Haken an der Sache: Die Grand Dame der amerikanischen Upper-Class brachte keinen einzigen Ton gerade heraus. Die Inbrunst aber, die feste Entschlossenheit und absolute Hingabe zur Musik, mit der sie dennoch ein klassisches Stück nach dem anderen zum Besten gab, verhalfen ihr schließlich zu ihrem größten Triumph: einem ausverkauften Konzert in der legendären New Yorker Carnegie Hall. Doch der Weg dorthin war nicht umsonst. Abgesehen von der Einsamkeit und dem untreuen Ehemann, die sie stets begleiteten, hagelte es neben Applaus nicht selten auch Spott und Hohn und schallendes Gelächter, und die wie immer exzellente, stets unschuldig mädchenhaft agierende Meryl Streep legt es ihrer Florence in Frears Version der Geschichte von Anfang an in den Blick, dass sie insgeheim ahnte, wie es wirklich um sie und die Welt stand, vor der sie sich unentwegt die Blöße gab.

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Damit reiht sich Florence Foster Jenkins recht nahtlos in die gesamte Filmografie von Stephen Frears ein, in dessen Arbeiten es seit seinem großen Durchbuch mit My Beautiful Laundrette Mitte der achtziger Jahre bis hin zu dem unlängst im Kino kontrovers diskutierten Lance Armstrong-Sportdrama The Program [ray 10/2015] zumeist darum geht, wie weit der persönliche Ehrgeiz, der ureigene Wille reicht, das zu tun, was man unbedingt will – und wie man sein Umfeld dazu bringt, dem zu folgen. Dabei hat sich auch Frears selbst auf seinem rastlosen Aufstieg zum Starregisseur, der sich in Hollywood längst genauso wohl fühlt wie in seiner britischen Heimat, immer am liebsten nur mit den besten und vielversprechendsten Schauspielern umgeben, um seine in den letzten Jahren zunehmend an wahren Persönlichkeiten orientierten Geschichten zu erzählen. Nur sind es am Ende oftmals auch ebenjene Darsteller, die im Nachhinein die Lorbeeren für seine Filme ernten,  wie etwa Glenn Close und Michelle Pfeiffer für Dangerous Liaisons (1988), Helen Mirren in The Queen (2006) oder Judi Dench und Steve Coogan für Philomena (2013). Nun dürfen sich also auch Meryl Streep und Hugh Grant zu jenem hochkarätigen Ensemble um Frears zählen und vielleicht ist das schönste an Florence Foster Jenkins, wie sichtlich viel Spaß sie an der Sache zu haben scheinen. Während Streep noch die schrägsten Töne mit Bravour meistert, steht ihr Grants spitzfindiger Göttergatte stets fürsorglich zur Seite, und auch Simon Helberg, der hier als junger Pianist seine schauspielerischen Künste jenseits von The Big Bang Theory unter Beweis stellt, trägt seinen Teil zum Gelingen der charmanten Farce bei. Dass es dabei wie immer auch ums große Gefühl gehen soll, zeigen die wenigen kleinen Szenen, in denen Streep mitunter die Ängste und Zweifel durchscheinen lässt, die auch ihre noch so blindäugige Sängerin zweifelsohne plagen. Nur viel Zeit zum Reflektieren bleibt schließlich nicht. Denn „the show must go on“ und so wie Florence will auch der Film vor allem eins: seinem Publikum gefallen – koste es, was es wolle.