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The Founder

Die große Gier

| Jörg Schiffauer |
Mit „The Founder“ geht John Lee Hancock einer der großen amerikanischen Erfolgsgeschichten nach – und ihren Schattenseiten. In der Hauptrolle glänzt einmal mehr Michael Keaton, der im Interview zum Film Stellung nimmt.

Kaum ein Unternehmen repräsentiert Unternehmertum US-amerikanischer Prägung so nachhaltig wie der Fastfood-Gigant McDonald’s. Die kulinarischen Produkte samt der Art der Verabreichung sowie der mittlerweile globale Expansionsdrang mögen zwar nicht jedermanns Geschmack sein, all das stellt jedoch zweifelsfrei eine ganz typische Facette von Amerikana dar. Schon die Entwicklung von einem einfachen Burger-Lokal, das von seinen anfänglichen lokal begrenzten Erfolgen im beschaulichen San Bernardino zu einem Milliarden-Dollar-Business wuchs, scheint wie ein Modell jener oft zitierten amerikanischen Aufsteiger-Story zu sein. Dass es hinter den Kulissen nicht ganz so harmonisch zugegangen ist, auch das erscheint schon wieder ein wenig typisch.

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Im Fokus von The Founder stehen zunächst jedoch nicht die eigentlichen Gründer und Namensgeber sondern der Handelsvertreter Ray Kroc (Michael Keaton). Der, schlägt sich im Alter von Anfang fünfzig mit dem Verkauf von Geräten zur Herstellung von Milkshakes durch das mühsame Leben eines Handelsreisenden. Doch eines schönen Tages – wir schreiben das Jahr 1954 – erreicht ihn eine höchst ungewöhnliche Bestellung. Während Kroc seinen Kunden sonst kaum eines dieser Geräte verkaufen kann, ordert ein Restaurant in San Bernadino gleich ein halbes Dutzend dieser Maschinen. Neugierig geworden macht sich Ray Kroc nach Kaliforniern auf. Dort findet er ein gut gehendes Drive-In-Lokal, das von Maurice (John Carroll Lynch) und Richard McDonald (Nick Offerman) betrieben wird. Bereitwillig weihen die Brüder Kroc in das Geheimnis ihres Erfolgs ein: Genau orchestrierte, maximal optimierte Arbeitsprozesse, die wie am Fließband ablaufen um damit die Standards der Produkte stets einzuhalten – also alles das, was man mittlerweile unter dem Begriff „Systemgastronomie“ subsumiert. Schnell erkennt der umtriebige Ray Kroc das Potenzial dieses Systems, er schlägt den Brüdern McDonald vor, es mittels Franchise –Nehmern zu verbreiten und so McDonald’s  – damals schon der Name des Lokals von Maurice und Richard – zu einer landesweiten Marke zu machen. Weil jedoch die Brüder mit ihrem Leben und dem Restaurant eigentlich zufrieden sind, muss Ray schon all seine Überredungskunst aufbieten, um sie schließlich doch von seinem Plan zu überzeugen und ihn als Partner mit an Bord zu holen – allerdings mit einem ganz kleinen Anteil. Und was die Qualitätsstandards gastronomischer Natur angeht, behalten sich die McDonald-Brüder ohnehin das letzte Wort vor.

Ray Kroc macht sich also ans Werk und dank seines jahrelang erprobten Geschicks als Vertreter gelingt es im bald, eine stattliche Anzahl Lokalbetreiber davon zu überzeugen, das System McDonald’s zu implementieren. Dass Maurice und Richard mit ihren Ansprüchen an die Qualität des gastronomischen Angebots Profitsteigerung und Expansion immer wieder behindern, ist für den schlitzohrigen Ray Kroc kein allzu großes Problem. Mit einer Mischung aus Charme und Rücksichtslosigkeit gelingt es ihm wiederholt, die Brüder McDonald – besonders der gutmütige und konsensorientierte Maurice ist ein dankbares Opfer – breitzuschlagen und seine Absichten durchzusetzen. Als Kroc jedoch erkennen muss, dass er mit seinem kleinen Minderheitsanteil nie an das ganz große Geld kommen kann, ganz gleich wie erfolgreich das Franchise-System auch sein mag, beginnt er die Partnerschaft zu überdenken. Mit Methoden, die hart an die Grenzen des Erlaubten gehen und moralische Grenzen längst überschritten haben, lässt Ray Kroc nichts unversucht, die eigentlichen Erfinder von McDonald’s aus dem Geschäft zu drängen und sich zum Alleinherrscher über das Fastfood-Imperium zu machen.

John Lee Hancock kann im Verlauf seiner Regie-Karriere schon einige Erfahrung in der dramatisierten Aufarbeitung realer Lebensgeschichten vorweisen. In The Blind Side (2009) rekapitulierte er den schwierigen Weg Michael Ohers vom vernachlässigten Kind zu einem Starspieler im American Football, Saving Mr. Banks (2013) wiederum wirft einen melancholisch-liebevollen Blick samt sarkastischen Untertönen auf die Entstehung des Films Mary Poppins samt dem „Culture Clash“ zwischen P. L. Travers, Autorin der Buchvorlage, und Walt Disney. In beiden Fällen gelang Hancock sorgfältige, präzise Regie-Arbeiten, die nicht nur den biederen Konventionen des Sub-Genres folgen und sich bloß an biographischen Stationen abarbeiten.

Auch The Founder erweist sich zunächst als höchst stimmiges, detailgenaues Porträt der fünfziger Jahre, das Zeitgeist- und Kolorit kongenial wiederzuspiegeln versteht. Entlang der Entstehungsgeschichte des späteren Fastfood-Giganten verhandelt Hancocks Inszenierung anhand der Protagonisten zwei grundsätzliche Positionen: Während die Brüder McDonald die typischen kreativen Geister sind, für die vor allem ihre Idee und die Begeisterung dafür im Mittelpunkt stehen, repräsentiert Ray Kroc jenen „Businessman“, für den Profit und eigener Vorteil über allem stehen – welches Geschäft man dabei betreibt, ist dabei nur Nebensache. Dass es auch Im Fall von McDonald’s dabei nicht nur Gewinner geben kann, wird in The Founder sehr bald deutlich.

John Lee Hancock erzählt dies aber nicht als Charakterdrama sondern nimmt eine beinah neutral zu bezeichnende Beobachter-Position ein. Das wirkt streckenweise nüchtern und distanziert, doch The Founder bezieht trotzdem ziemlich deutlich Stellung, was vor allem der Leistung von Michael Keaton geschuldet ist. Ohne in Klischees zu verfallen oder seinen Charakter billig zu dämonisieren, zeichnet Keaton den Mann, der vom „Time“-Magazin immerhin zu einer der hundert bedeutendsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts gekürt wurde, wenig schmeichelhaft. Zwischen schmierigem Vertretercharme der Sorte Tin Men (1987, Barry Levinson) und skrupelloser Geschäftstüchtigkeit im Stile von Gordon Gekko in Wall Street (1987, Oliver Stone) entwickelt Ray Kroc seine ganz eigene Auslegung des Utilitarismus, die da lautet: Gut ist, was mir nützt. Eine Haltung, die er mit der Zeit auch auf sein Privatleben überträgt, ohne dabei auch nur einen Hauch von Skrupel zu verspüren. Am Ende scheint Ray Kroc jenen Aphorismus Honoré de Balzacs zu bestätigen, den Mario Puzo seinem Roman „The Godfather“ vorangestellt hat: „Hinter jedem großem Vermögen steht ein Verbrechen.“

 

Michael Keaton im Interview

Interview ~ Marietta Steinhart

Was ist Ihr persönlicher amerikanischer Traum, und wie hat er sich im Laufe Ihres Lebens verändert?
Ich bin gesegnet. Das bin ich wirklich. Ich denke, das, was wir unter „amerikanischem Traum“ verstehen, das habe ich übertroffen. Ich bin glücklich. Ich habe zwei Häuser. Wer hat das schon? Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht dankbar dafür bin.

Haben Sie davon geträumt, sehr erfolgreich zu sein?
Ja, aber … (Denkt nach.) Als ich beschloss, das Schauspielen zu probieren, wollte ich einfach nur gut darin sein. Ich wollte nie ein „Star“ sein. Aber ich habe sicher darüber nachgedacht.

Es ist faszinierend, ein Star zu sein, oder nicht?
Nein, das war es nicht für mich. Ganz und gar nicht. Ich wollte damit einfach meinen Lebensunterhalt verdienen. Und du denkst: Hoffentlich werde ich gut genug darin sein, um ein Haus, eine Familie und ein normales Leben zu haben. So einfach war das. Das soll aber nicht heißen, dass ich nicht irgendwann berühmte Leute angeschaut und mir gedacht habe: Das sieht irgendwie lustig aus, das will ich auch! (Lacht.)

Sie schätzen harte Arbeit. Sie haben gesagt, dass es nie eine Zeit gab, in der Ihr Vater nicht zwei Jobs hatte. Welche Jobs haben Sie denn so gehabt?
Mein erster Job war, wenn man das als Job bezeichnen kann, Rasenmähen. Ich glaube, das erste Mal hat die Frau mir 75 Cent bezahlt. Sie hatte mindestens einen Hektar. Und das ist viel!

Ganz schön geizig.
Ja. Ich glaube, sie hat es dann auf 1 Dollar und 25 Cent erhöht. Dann habe ich als Caddie auf einem Golfplatz gearbeitet. Ich habe Autos geparkt. Ich bin Taxi gefahren. Ich habe in Restaurants gearbeitet, auf dem Bau und in einer Vermessungsfirma, weil mein Vater Vermesser war.

Sie spielen Ray Kroc, jemanden, der wirklich existiert hat. Können Sie ein bisschen davon erzählen, wie es ist, einen Charakter zu spielen, der nicht mehr lebt? Sie können ja nicht mit ihm reden.
Es ist schwieriger in dem Sinne, dass man ein bisschen eingeschränkt ist. Ich kann ihn nicht spielen, wie ich will, weil das ja nicht der Wahrheit entsprechen würde. Auf der anderen Seite ist eine Menge der Arbeit bereits erledigt. Sie wissen, wo er geboren wurde,  wie oft er verheiratet war. Sie haben viele Informationen, können mit Leuten sprechen, die ihn gekannt haben, oder über ihn lesen. In diesem Fall war es meine Aufgabe, Ray Kroc zu sein, aber auch nicht Ray Kroc zu sein, stellvertretend für Kapitalismus und Wirtschaft. Dies ist ein Film über freie Marktwirtschaft, Kapitalismus, Amerika und auch über Einwanderung. Dies ist ein Land von Einwanderern. Die Szene, wo er sagt, er mag seinen Namen nicht, das finde ich so interessant. Vor allem, wenn er sagt: „McDonald, das ist so amerikanisch.“ Es ist eigentlich schottisch. (Lacht.)

Was dachten Sie als Sie das Drehbuch zum Film gelesen haben? Hatten Sie moralischen Bedenken wegen McDonald’s?

McDonald’s existiert einfach. Ich bilde mir kein Urteil darüber. Es ist ein Geschäft. Aber je mehr ich darüber las, desto interessanter wurde es. Allein die Brüder – ich wusste nicht einmal, dass es McDonald-Brüder gab. Wenn Sie darüber nachdenken was die Jungs angefangen haben und wie innovativ es war … McDonald’s wurde einfach zu einem Ding. Sie bemerken es nicht einmal. Sie werden wahrscheinlich an 15 McDonald’s vorbeikommen wenn Sie heute nach Hause fahren. Es gibt Hunde, Autos, Bäume – und dann gibt es McDonald’s.

Ist das positiv oder negativ? Wo wir gerade in der Welt sind?

Ich weiß nicht, ob es eine gute oder eine schlechte Sache ist. Es ist einfach so. Die Welt sieht an vielen Orten gleich aus. Und ich bin daran mitschuldig. Ich erinnere mich daran, dass ich irgendwo etwas brauchte, also griff ich zu „Fast Fashion“ und ich dachte, schau dir dieses Hemd an! Es kostet nur 39 Dollar. Was wenn ich es zweimal trage? Das ist fantastisch. Ich sollte zwei kaufen. Aber ich fühle mich nicht mehr gut dabei, denn es gibt jemanden, der dieses Zeug herstellt, dem es nicht wirklich gut geht. Und du wirfst es weg und es ist Müll. Das ist wie die Welt ist. Ich weiß es nicht. Gibt es böse Menschen da draußen, die das machen? Ich glaube nicht, dass es böse ist. Es ist vielleicht einfach nicht so gut.

Haben Sie Aspekte von Ray Krocs Persönlichkeit in Ihrer eigenen Persönlichkeit gefunden?

Sicher. Ich arbeite hart. Ich habe einen starken Willen.

Ray Kroc ist der ultimative Verkäufer. Fühlen Sie sich ähnlich als Schauspieler?

In gewissem Maße schon, weil Sie jeden Tag mit Ablehnung konfrontiert sind. (lacht)

Haben Sie jemals die Machtkarte ausgespielt? Wie viele Leichen haben Sie in Ihrem Keller?

Sicher, das werde ich gerade Ihnen sagen! (lacht) Netter Versuch. Macht ist eine interessante Sache. Ich muss vorsichtig sein. Ich bin sehr transparent. Ich bin manchmal dumm, weil ich rede wie mir der Schnabel gewachsen ist. Vor langer Zeit hat mich das jemand in einem Interview gefragt und ich sagte, es fällt mir auf, dass ich Macht habe. Was ich eigentlich meinte war, wenn Sie älter werden und wachsen und mehr Dinge lernen, dann erkennen Sie, dass Sie Macht haben – als Mensch. Vor allem wenn Sie versuchen, ein Schauspieler zu sein und die Leute sagen, Sie sind nicht gut genug oder schlau genug oder nicht gutaussehend genug oder nicht talentiert genug. Es ist einfach, sich nicht gut zu fühlen. Und ich dachte mir: Warum würde ich jemals meine Macht aufgeben? Jeder von uns hat Macht. Sie haben Macht. Manchmal merkt man es nur nicht, aber Sie tun es. Und das meinte ich. Damals war ich in erfolgreichen Filmen gewesen. Es ging mir gut. Also war ich in einer gewissen Machtposition. Es ist eigentlich nicht die Macht, von der ich gesprochen habe, aber das hat auch gestimmt – auf einer geschäftlichen Ebene. Ihre Macht kommt und geht übrigens. Wenn Ihr Film erfolgreich ist, dann haben Sie Macht. Sobald Ihr Film nicht erfolgreich ist, haben Sie keine Macht. (lacht)

Sie üben den Beruf des Schauspielers schon lange aus, sind sozusagen ein Experte auf diesem Gebiet. Ist es einfacher oder besser geworden? Zumindest von Außen sieht es so aus als würde es gut für Sie laufen. Fühlen Sie sich auch so?

Ja und Nein. Aber meistens Ja! (lacht) Alles ist irgendwie eine Frage des Timings. Wenn ich auf einige meiner Filme zurückblicke, etwa Much Ado About Nothing, denke ich mir, „Wow, ich war gut in dieser Szene“. Ich liebe diesen Film, aber ich könnte etwas in einem anderen Film hernehmen und sagen „Das ist nicht so gute Arbeit“. Darin bin ich konsequent. Ich wäre an Birdman am Beginn meiner Karriere genauso herangegangen. Der Unterschied heute ist, dass ich versuchen, noch besser zu sein. Sie gehen weiter an Ihre Grenzen. Außerdem wissen Sie mehr. Sie wissen mehr über das Leben. Sie wissen mehr darüber, wie man einen Film macht. Und dann gibt es das Argument, wie die Dinge in Ihrem Leben zusammenkommen. Ich kann Ihnen sagen, dass ich eine Menge davon selbst kreiert habe. Ich setzte mich hin und sagte mir, ich muss auf einen anderen Kurs kommen, denn ich bin nicht zufrieden mit dem was ich tue. Ich bin nicht zufrieden damit wie es für mich läuft.

Mit „kreieren“ meinen Sie…?

Das ist eine lange, lange Konversation, die schwer zu erklären ist. Aber ich sagte mir, ich werde dahinterkommen.

Und sind Sie in den letzten paar Jahren dahintergekommen?

Ich bin auf dem richtigen Weg.

Ist das der Grund warum Sie zum Teil in Montana leben? Um Ihren Kopf frei zu kriegen?

Ich weiß einfach keinen anderen Weg zu leben außer draußen zu sein, und ich wollte immer schon im Westen leben. Ich hatte ein Bild von diesem Ort als kleiner Junge gesehen und ich habe mich darin verliebt. Jahre später stellte sich heraus, dass es Montana war. Eines Tages bin ich auf eine Reise gegangen und ich sagte zu mir, dieser Ort, das ist mein zu Hause. Vor etwa dreißig Jahren haben meine Freunde mich ausgelacht wenn ich fliegenfischen gegangen bin. Sie dachten, ich wäre verrückt! (lacht) Jetzt ist es hip.

Was ist mit Beetlejuice 2?

Ich hasse es, unhöflich zu sein. (lacht) Jeder fragt mich danach, aber Sie verschwenden Ihre Zeit. Ich habe keine Ahnung. Aber so viel will ich sagen: Es war eine gute Sache, Tim Burton ein großartiger Künstler. Ich liebe diesen Film.