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Agnus Dei – Die Unschuldigen / Les Innocentes

Filmkritik

Agnus Dei – Die Unschuldigen

| Hans Langsteiner |
Redlicher Problemfilm über Nonnen in Gewissensnöten

Geheimnisse hinter Klostermauern haben ihre Faszination bis heute nicht verloren. Literarisch ziehen sich da Spuren von frühen Kolportageromanen bis zu Jane Austen und Umberto Eco, und im Kino bilden Schauergeschichten um besessene Klosterschwestern längst ein eigenes Subgenre, aus dem vereinzelte Meisterwerke wie Ken Russells The Devils oder Mutter Johanna von den Engeln (Jerzy Kawalerowicz) herausragen.

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In dieser Liga spielt Les Innocentes zwar nicht, doch als grundsolides, ordentlich inszeniertes Nachkriegsdrama entfaltet die französisch-polnische Koproduktion durchaus achtbare Qualitäten. Ausgangspunkt der Handlung sind, wieder einmal, wahre Begebenheiten. In den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs waren 25 Nonnen eines polnischen Klosters von russischen Soldaten vergewaltigt worden. Fünf von ihnen wurden schwanger – trotz persönlicher Unschuld war das für die Leitung des Klosters ein zu vertuschender Skandal, der bis zu Kindesweglegung und Selbstmord führte.

Les Innocentes rollt dieses Drama aus der Sicht einer jungen Ärztin auf, die im Winter 1945 im befreiten Polen für das französische Rote Kreuz arbeitet und von einer verzweifelten Nonne um Hilfe gebeten wird. Die wahren Dimensionen des Falles eröffnen sich ihr wie dem Publikum erst nach und nach. Trotz des realistisch eingefangenen Nachkriegs-Settings – der Geliebte der Ärztin ist ein jüdischer Chirurg, der dem Holocaust entkommen konnte – entrollen sich die moralischen Konflikte zwischen Kloster und Außenwelt in fast schon zu modellhafter Zeitlosigkeit: hier die strengen Ordensregeln, dort das Gebot der Menschlichkeit, hier starrer Glaube, dort undogmatische Hilfe, hier tabuisierte Sexualität, dort frei gelebte Sinnlichkeit.

Anne Fontaine setzt die heikle Historie durchaus stil- und taktvoll in Szene. Das Klosterleben wird weder verklärt noch verdammt, sämtliche Figuren behalten ihre Würde und die Liebesgeschichte der jungen Heldin verläuft, auch dank der nuancierten Darstellerleistungen von Lou de Laâge und Vincent Macaigne, wohltuend unsentimental. Dazu kommt die subtile Kameraarbeit von Caroline Champetier, die die engelsreinen Frauengesichter im milden Licht von Petroleumlampen effektvoll vom kühlen Grau der Klostermauern  abzuheben weiß. Trotz allem: Ein wenig wie aus der Zeit gefallen wirkt dieser brav geratene Problemfilm alter Schule schon …