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1967

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| Jörg Schiffauer |
Rückblick auf ein Jahr, das ein wenig unerwartet zu einem der produktivsten der Filmgeschichte geriet.

Ruft man sich 1967 ins (pop-)kulturelle Gedächtnis, sind die ersten Assoziationen offensichtlich: Mit dem legendären „Summer of Love“ war die Hippiebewegung auf einem Höhepunkt angelangt, Scott McKenzie gelang es mit dem Song „San Francisco“, die vorherrschende Stimmung auf den Punkt zu bringen. Im Mai besagten Jahres hatten die Beatles mit dem Album „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ein ikonografisches Werk veröffentlicht, die Gegenkultur, mit samt allen gesellschaftlichen Umbrüchen schien beinahe schon mehrheitsfähig geworden zu sein.

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Was jedoch das Kino angeht, sollte man meinen, dass 1967 nicht unbedingt als „vintage year“ eingehen sollte. Was sich ganz gut begründen ließe: Hollywood durchlebte schon seit mehreren Jahren eine veritable ökonomische und – noch viel deutlicher – eine kreative Krise, die durchaus systembedingt war und die endgültige Auflösung  des Studiosystems klassischen Zuschnitts mit sich brachte. Die neue Garde junger Filmemacher, die dem US-amerikanischen Kino einen ungeheuren Schub verschaffen sollte und als New Hollywood Geschichte schreiben sollte, begann sich erst zu formieren oder holte sich erst an diversen Filmschulen ihr Rüstzeug. Die Nouvelle Vague hingegen, die sich ab den fünfziger Jahren nicht nur für das französische Kino als richtungsweisende Bewegung etabliert und zudem mit der „politique des auteurs“ die Position des Filmemachers nachhaltig definiert hatte, schien ihre zentralen Arbeiten auch bereits geliefert zu haben. Kurzum, 1967 war ein Jahr, von dem man sich eigentlich in cineastischer Hinsicht keine großen Sprünge erwarten durfte.

Doch bei etwas genauerer Betrachtung findet sich unter den Filmstarts dieses Jahres eine überraschend hohe Zahl von Arbeiten, die – auf höchst unterschiedliche Art und Weise – hochqualitatives und bemerkenswertes Kino repräsentieren. Dabei finden sich Filme, die mittlerweile den Ritterschlag der Kanonisierung erhalten haben ebenso wie kleine Independent-Produktionen oder auf den ersten Blick eher konventionelle Regiearbeiten. Eine eingängige Erklärung für den Qualitätsschub, der im Kinojahr 67 stattfand, wird kaum zu finden sein. Allein die Unterschiedlichkeit bezüglich Stilistik, Sujets oder Produktionsländer – von den Vereinigten Staaten bis quer durch Europa – lassen die Suche nach monokausalen Ursachen wenig zielführend erscheinen. Doch eine große Zahl besagter Filme verstand es, die vorherrschende Stimmung, die stark von den großen gesellschaftlichen Umbrüchen der sechziger Jahre geprägt war, in variierender Form widerzuspiegeln.

Eine neue Zeit

Ein vorherrschendes Anliegen, das vor allem die studentische Protestbewegung jener Tage nachhaltig einforderte, war das Infragestellen – und Überkommen – tradierter, verkrusteter Autoritäten. Kaum ein Film brachte diese Stimmung mit populärkulturellen Mitteln so genau auf den Punkt wie The Dirty Dozen. Regisseur Robert Aldrich hatte sich im Verlauf seiner Karriere schon in den fünfziger Jahren im rigiden Studiosystem Hollywoods  kreative Freiräume zu verschaffen verstanden, indem er seine Genrearbeiten mit einem ungewöhnlich düsteren, pessimistischen Grundton durchzog. Auch The Dirty Dozen kann an der Oberfläche dem Genre Kriegsfilm zugerechnet werden, doch die Geschichte um einen Major der US-Army, der 1944 einen Spezialauftrag erhält, hat eine stark subversive Komponente. Denn der Offizier (gespielt von Lee Marvin), selbst ein Außenseiter, der sich ständig den militärischen Strukturen von Befehl und Gehorsam widersetzt, muss für seine Mission zwölf Soldaten rekrutieren, die wegen schwerer Vergehen zu langjährigen Gefängnisstrafen oder gar zum Tod verurteilt sind – das Himmelfahrtskommando hinter den feindlichen Linien ist ihre einzige Chance, die drakonischen Strafen zu umgehen. Doch mit militärischer Disziplin  kann diese Truppe wenig anfangen, das titelgebende dreckige Dutzend (dargestellt von so namhaften Schauspielern wie John Cassavetes, Donald Sutherland, Charles Bronson, oder Telly Savalas) betrachtet das eigene Offizierskorps zunächst vielmehr als den Feind als die Deutsche Wehrmacht. Von der heldenhaften Darstellung der G.I.s, die in Hollywoodproduktionen über den Zweiten Weltkrieg bis dahin vorherrschte, ist in The Dirty Dozen nicht mehr viel zu merken. Die Protagonisten erscheinen vielmehr als Anti-Helden, die in ihrem eigenwilligen Individualismus  besser zur Gegenkultur jener Zeit passte als zum Typus des aufrechten Soldaten wie er üblicherweise gepflegt wurde. Es schien dann auch folgerichtig, dass Aldrichs Inszenierung ungeachtet der dramatischen Grundstruktur von einen von bissigem Sarkasmus durchsetzt ist, der in Verbindung mit einem actionreichen Plot seiner Zeit weit voraus war.

Ambivalente Charaktere stehen auch im Mittelpunkt eines Films, dem vor allem in der Rückschau der Status  eines Meilensteins im US-amerikanischen Kino der sechziger Jahre zuerkannt wurde. Bonnie and Clyde war aber auch in der Tat viel mehr als ein Gangsterfilm obwohl sich der Plot ja bekanntermaßen an der Geschichte des berüchtigten Verbrecherpärchens Clyde Barrow und Bonnie Parker, die es in den dreißiger Jahren zu überregionaler Bekanntheit gebracht hatten, orientiert. Die traditionellen moralischen Zuordnungen Hollywoods sind hier von Anfang an aufgehoben, die Protagonisten erscheinen nicht als Verbrecher im Stil des klassischen Gangsterfilms sondern primär als  rebellische Geister, bei denen Auflehnung gegen gesellschaftliche Konventionen und Gesetzesbruch fast zwangsläufig Hand in Hand gehen. Regisseur Arthur Penn entschied sich dabei für einen Erzählduktus, der ebenfalls mit Traditionen bricht: Die Tonalität wechselt immer wieder unvermittelt zwischen hoher Dramatik und beinahe heiter wirkender Leichtigkeit, physische Gewalt wiederum setzt Penn mit einer bis dahin kaum gekannten drastischen Härte – vor allem die abschließende Sequenz mit dem Tod der beiden Protagonisten – in Szene. Bonnie und Clyde gilt auch wegen seiner Vorreiter-Rolle als eines der Schlüsselwerk New Hollywoods.

Die Umbrüche in der US-amerikanischen Filmindustrie verursachten auch in Freiräume, die zu ebenso ungewöhnlichen wie produktiven Allianzen führten. Ein schönes Beispiel dafür ist Point Blank, ein Neo-noir –Krimi, der stilistisch der Nouvelle Vague näher scheint als dem klassischen Hollywood. Lee Marvin, der aufgrund seines Starstatus starke Mitspracherechte bei Drehbuch und Besetzung hatte, setze sich dafür ein, den Briten John Boorman mit der Regie zu betrauen und ihm weitgehend freie Hand zu lassen. Ein Mann namens Walker (gespielt von Marvin), von dem man keinen Vornamen erfährt, wird nach einem geglückten Überfall auf einen Geldtransport von seinem Komplizen niedergeschossen und schwer verletzt zurückgelassen. Doch Walker erholt sich und macht sich auf, Revanche zu nehmen. Das Rachedrama im typischen Gangstermilieu eroberte sich seinen Kultstatus mit einem  narrativen Stil abseits erprobter Wege, der Zeitsprünge,

abrupt wechselnden Erzählrhythmus und eine ungewöhnliche, zur Stilisierung neigende Komposition filmischen Raums systematisch zum Einsatz brachte und eine spezielle, eigenwillige Atmosphäre generierte, die immer wieder Zweifel an der Erzählinstanz und deren Stabilität an sich weckt.

Ambivalente Charaktere wie Walker machten aber auch deutlich, dass tradierte Wertvorstellungen ebenso gründlich auf den Prüfstand gestellt wurden. Auflehnung gegen bislang respektierte gesellschaftliche Autoritäten wurde zu einem zentralen Motiv auch formal und stilistisch eingängigerer Arbeiten. In Cool Hand Luke etwa übernahm mit Paul Newman einer der großen Stars die Titelrolle des Protagonisten, der wegen Bagatellvergehen mit der unerbittlichen US-Justiz in Konflikt gerät und im Gefängnis landet, wo er sich bis zur Selbstaufopferung gegen die Willkür des Strafsystems auflehnt – unschwer lässt sich der von Stuart Rosenberg in Szene gesetzte Film als Reflexion auf das Aufbegehren der Jugend jener Tage lesen.

Dezidiert griff dagegen Mike Nichols mit The Graduate die Stimmungslage jener neuen Generation auf, die traditionelle Wertvorstellungen gründlich zu hinterfragen begann, der von Dustin Hoffman verkörperte Protagonist Benjamin Braddock stand geradezu exemplarisch für die Sinnsuche der Jugend mitsamt allen damit einhergehenden Verirrungen der Gefühle. Benjamin etwa verweigert nach Abschluss seines Studiums den von seinem Vater vorgesehenen Karriereweg – die Szene, in der er während der für ihn abgehaltenen Willkommensparty im Swimmingpool abtaucht, wird zum Sinnbild für die Entfremdung zur Elterngeneration –, er beginnt eine emotionsarme Affäre mit der Frau des Geschäftspartners seines Vaters, ehe er sich in deren Tochter verliebt, was natürlich Komplikationen mit sich bringt. Mit seinem melancholischen Grundton, unterlegt von Simon & Garfunkel-Songs traf The Graduate punktgenau den Nerv seiner Zeit, das ambivalente Ende unterstreicht das geradezu genial: Benjamin und Elaine, die junge Dame seines Herzens, finden gegen alle Widerstände doch zueinander, doch ihre Zukunft bleibt gleich jener der Proponenten der Gegenkultur weitgehend offen.

Eine klare Haltung bezogen aber auch Filme, die mit ihren traditionellen Erzählmustern – und dank ihrer hochkarätigen Besetzungen– für ein breiteres Publikum konzipiert waren. In the Heat of the Night (Regie: Norman Jewison) thematisiert mit den Mitteln des Kriminalfilms Fragen der Diskriminierung schwarzer  US-Amerikaner, ein zentrales Anliegen der Bürgerrechtsbewegung in den Sechzigern. Sidney Poitier spielt den afro-amerikanischen Kriminalbeamten Virgil Tibbs, der im verlauf einer privaten Reise in einem Städtchen im tiefsten Süden irgendwo in Mississippi nur wegen seiner Hautfarbe in Mordverdacht gerät. Der Irrtum klärt sich rasch auf, weil der örtliche Polizeichef (Rod Steiger) jedoch wenig Erfahrung mit Tötungsdelikten hat, bittet er – zunächst eher widerwillig, weil er als typischer „Southerner“ die üblichen Vorurteile pflegt – den erfahrenen Ermittler Tibbs um Hilfe. Die ungleichen Cops raufen sich jedoch nicht nur kriminalistisch zusammen, der Südstaatler durchläuft auch einen charakterlichen Reifeprozess, in dessen Verlauf er Tibbs zu respektieren lernt.

Sidney Poitier übernahm auch eine der Hauptrollen in Guess Who’s Coming to Dinner, eine von Stanley Kramers stilsicher in Szene gesetzte Komödie, die dasselbe Thema mainstream-tauglich aufzubreiten verstand. Die liberale Haltung eines großbürgerlichen Ehepaars (dargestellt von den Hollywood-Ikonen Spencer Tracy und Katherine Hepburn) wird auf die Probe gestellt, als deren Tochter ihren Bräutigam zuhause vorstellt. Der ist zwar als hoch angesehener Mediziner im Dienst einer internationalen Organisation eigentlich der Traumschwiegersohn – aber eben Afro-Amerikaner. Das freisinnige Weltbild der Eltern wird einer schweren Prüfung unterzogen, ehe es sich ungeachtet einiger Schwankungen schlussendlich doch als grundfest erweist.

Deutlicher und radikaler spiegelt sich die konfrontative Stimmung, die in jenen Tagen quer durch die US-amerikanische Gesellschaft verlief und von bürgerlichen Kreisen durchaus auch als Bedrohung angesehen wurde, in einem mit schmalem Budget produzierten Thriller wider. In The Incident bedrohen zwei junge Männer ohne erkennbares Motiv die Fahrgäste eines nächtlichen Zugs der New Yorker U-Bahn. Was zunächst als harmlose Stänkerei beginnt, eskaliert nach und nach zu einem Machtspiel mit psychischem Terror und physischer Gewalt. Larry Peerce setzt The Incident als intensives psychologische Kammerspiel in Szene, der Waggon mutiert zu einem Ort des Schreckens aus dem es kein Entkommen zu geben scheint, ein scheinbar vertrauter Platz des alltäglichen Lebens wird zum Schauplatz einer Auseinandersetzung , der sich niemand mehr entziehen kann

Zu den absoluten Höhepunkten des Filmschaffens 1967 zählt zweifellos In Cold Blood. Regisseur Richard Brooks hatte mit der Adaption der literarischen Vorlage keine leichte Aufgabe übernommen, gilt doch Truman Capotes gleichnamiger Tatsachenroman als bahnbrechende Arbeit und Wegbereiter des New Journalism. Nach akribischer Recherche fand Capote eine kongeniale, neue Form zwischen Fiktion und Realität um die brutale Ermordung einer Farmersfamilie in Kansas, die 1959 für landesweites Entsetzen gesorgt hatte, in allen Facetten –von der Suche nach den Tätern, deren Prozess bis zur  Hinrichtung –nachzuzeichnen. Mit seiner nüchternen, in präzisen Schwarzweiß-Bildern gehaltenen Inszenierung fand Brooks eine großartige filmische Form um Capotes Aufarbeitung des geradezu schicksalhaften Aufeinanderprallens zweier völlig gegensätzlicher Lebenswelten gerecht zu werden. Wie In the Heat of the Night repräsentiert In Cold Blood mustergültig jenes message cinema Hollywoods, das mit populären Genres einen kritischen Blick auf die Schattenseiten der US-amerikanischen Gesellschaft wirft.

Nicht nur Filme, die gesellschaftspolitische Strömungen widerzuspiegeln verstanden, hinterließen ihre Spuren, auch „pure“ Genrefilme blieben im Gedächtnis. Regieroutinier Terence Young, der sich mit einigen James-Bond-Verfilmungen einen Namen gemacht hatte, lieferte mit Wait Until Dark einen äußerst feinen psychologischen Thriller ab. Audrey Hepburn spielt eine blinde Frau, die das Pech hat, in die Machenschaften einer Bande von Heroinschmugglern zu geraten und sich bald in einem bösen Spiel aus Täuschungen und Psychotricks findet, das eine mörderische Dynamik entwickelt.

Bewährte Meister

In Europe dominierten vor allem Regisseure, die größtenteils bereits seit den fünfziger Jahren das Kinogeschehn geprägt hatten. Jean-Luc Godard, einer der zentralen Proponenten der Nouvelle Vague, brachte 1967 gleich zwei Regiearbeiten in die Kinos, die sowohl seine Hinwendung zu formalen Experimenten als auch drastische Gesellschaftskritik repräsentierten, La Chinoise und Week End.  Kritik am Modernismus formulierte Jacques Tati auf seine unverwechselbare Art und Weise mit Playtime. Ungewöhnlich und völlig außerhalb jeden Zeitgeistes war hingegen Jacques Demys Les Demoiselles de Rochefort, ein Musical, das als eine der Inspirationsquellen von Damien Chazelles Überraschungserfolg La la Land gilt. Beeindruckend ist allein die Besetzung: neben Catherine Deneuve und ihrer Schwester Françoise Dorléac konnte Demy Größen wie Michel Piccoli, Danielle Darrieux und Hollywood-Legende Gene Kelly für sein eigenwilliges Projekt gewinnen.

Jean-Pierre Melville, der großer Solitär des französischen Kinos, präsentierte 1967 seine persönliche Interpretation des Gangsterfilms. Dank seiner unvergleichlichen, kühlen Stilisierung und dem stoischen Spiel, mit dem Alain Delon die Hauptfigur, den Profikiller Jef Costello verkörperte, wurde Le samouraï zu einer ikonographischen Arbeit, die auch auf einer Metaebene operiert und dabei Genrekonventionen variiert. Moralische Schemata greifen dabei nicht mehr, weder Costellos Charakter noch sein Handeln werden in Le samouraï bewertet. Der Protagonist folgt, unberührt von gesellschaftlichen Normen, mit geradezu existentialistischer Konsequenz einem eigenen, strikten Kodex – unberührt, stoisch, bis zum eigenen Ende. Wenig verwunderlich, dass ein Regisseur mit einer so ausgeprägten Handschrift wie Melville von Vertretern New Hollywoods als vorbildlich angesehen wurde.

Knapp bevor Roman Polanski in die Vereinigten Staaten übersiedelte, drehte er mit der britischen Produktion The Fearless Vampire Killers eine ebenso witzige wie intelligente Vampir-Paraphrase, die mittlerweile ihren Fixplatz im popkulturellen Universum hat.

Der gebürtige US-Amerikaner Joseph Losey, der sich der Hexenjagd der McCarthy-Ära nur durch Emigration nach Europa entziehen hatte können, setzte mit Accident – das Drehbuch verfasste kein geringerer als Literaturnobelpreisträger Harold Pinter ein abgründiges Drama in Szene, das mit kalter Präzision das britische (Groß-) Bürgertum ins Visier nimmt. Gewohnt bissige Kritik an der Bourgeoisie

übte Luis Bunuel mit Belle de jour. Catherine Deneuve spielt darin die Frau eines Arztes, die aus der Routine ihres bürgerlichen Lebens ausbricht, um tagsüber in einem Nobelbordell der Prostitution nachzugehen.

Pier Paolo Pasolini, als Filmemacher und Publizist eine der herausragenden Gestalten und wichtige Stimme der Linken im Italien der Nachkriegsära, zeigte seine filmische Interpretation von Sophokles’ klassischer „Ödipus“-Tragödie mit Edipo Re.

Hinter dem Eisernen Vorhang entstand in diesem Jahr eine Arbeit, die lange ein wenig in Vergessenheit geraten war, mittlerweile mancherorts jedoch als bester tschechischer Film aller Zeiten gilt. Frantisek Vlacils eigenwilliges Historiendrama Marketa Lazarova wurde bereits ausführlich in der „ray“-Juni-Ausgabe vorgestellt.

Die britisch-französische Koproduktion The Night of the Generals hingegen folgt den Konventionen eines starbesetzten Großprojekts mit schauspielerischen Kalibern wie Peter O’Toole, Omar Sharif, Tom Courtenay, Donald Pleasence, Philippe Noiret und Christopher Plummer. Die auf dem gleichnamigen Roman von Hans Helmut Kirst im Zweiten Weltkrieg spielende Geschichte ist in der Tat etwas reißerisch. Ein Major der Deutschen Wehrmacht soll 1942 den Mord an einer Prostituierten in Warschau aufklären. Da sich der Offizier auch inmitten des millionenfachen Mordens dieser Tage der Gerechtigkeit verpflichtet fühlt, ermittelt er gegen alle Widerstände akribisch weiter. Als jedoch ein General der Waffen-SS in Verdacht gerät, wird die Sache prekär, umso mehr als der Major im weiteren Verlauf des Krieges zur Gewissheit kommt, dass besagter General ein höchst gefährlicher Psychopath ist, der seine Lust am Töten einerseits „offiziell“ befriedigt, indem er als Kommandeur rücksichtslos bis hin zu Kriegsverbrechen agiert, anderseits auch noch als Serienmörder quasi heimlich Frauen ermordet. Und er scheint sich seiner Verantwortung entziehen zu können, gilt er doch im Nachkriegsdeutschland als respektierter Veteran. The Night of the Generals ist in der Inszenierung des Routiniers Anatole Litvak ein gängiges Stück Genrekino, doch der Film wirft ziemlich unverblümt ein brisantes Thema auf, das 1967 in der Bundesrepublik noch wenig und in Österreich fast gar nicht auf der Agenda war: der schändlich schlampige Umgang mit der Zeit des Nationalsozialismus samt der Verdrängung und Leugnung von Schuld, die es vielen Tätern ermöglichte, in der BRD Adenauers oder im Österreich mit seiner großen Koalition veritable Karrieren zu machen.

In den Vereinigten Staaten hingegen begann die neue (Film-) Zeit ihre Schatten zu werfen. D. A. Pennebaker, Pionier des Direct Cinema, rückte mit Dont Look Back, Bob Dylan, die Ikone der Gegenkultur, in den Mittelpunkt seines Dokumentarfilms über dessen Konzerttour durch Großbritannien. Und am 15. November 1967 erlebte in Chicago der erste lange Spielfilm eines jungen Regisseurs, Who’s That Knocking at My Door? Premiere. Der Name des Regisseurs war Martin Scorsese, der Titel klingt ein wenig programmatisch – New Hollywood stand schon ganz dicht vor der Tür.