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Filmkritik

Helle Nächte

| Alexandra Seitz |
Eine Reise ins – auf allen Ebenen – Karge kann, muss aber nicht spannend sein.

Schon seit einigen Jahren hat Bauingenieur Michael keinen Kontakt mehr zu seinem Vater. Doch als dieser stirbt und Michaels Schwester jede Mithilfe mit der Begründung „er hat uns nie die Gelegenheit gegeben, zu vergeben“ verweigert, ist es an ihm, nach Norwegen in das kleine Kaff zu reisen, in dem der Vater zuletzt wohnte, um die letzten Dinge zu erledigen.

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Wie Michael auf die Idee kommt, der endgültige Abschied vom weit entfernten, möglicherweise gar nicht gekannten (Groß)Vater sei eine gute Gelegenheit, endlich wieder Zeit mit seinem von ihm getrennt lebenden Sohn Luis zu verbringen, bleibt sein Geheimnis. Fest steht, dass Luis’ Sommerferien anders als von diesem erhofft verlaufen: Wandertour statt Partyzone. Welcher 14-Jährige wäre davon schon begeistert? Und Luis denkt auch gar nicht daran, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Was will überhaupt der Alte plötzlich von ihm? Kann er ihn nicht einfach in Ruhe lassen wie bisher auch? Also droht Michaels glorioser Plan ebenso glorios an der Sturschädeligkeit des Null-Bock-Teenagers zu scheitern, der fortan nur äußerst unwillig die Stöpsel aus den Ohren nimmt, um auf des Vaters bemühtes Interesse einsilbigst zu reagieren.

Er habe, sagt Thomas Arslan, mit Helle Nächte „eine Reise ins Karge“ im Sinne gehabt, er habe „Räume für reine Beschreibung schaffen [wollen], für Momente, in denen es nicht darum geht, die Geschichte voranzubringen.“ Und tatsächlich begegnet die Zuschauerin der Kargheit auf jeder Ebene: Da ist das eintönig-schöne, norwegische Hinterland, da ist die äußerst reduzierte Geschichte, da ist das quasi-Nicht-Schauspiel des jungen Tristan Göbel in der Rolle Luis’. Dem Georg Friedrich in der Rolle Michaels glücklicherweise eine Masterclass an subtilem Ausdruck emotionaler Nuancen entgegensetzt, wofür er bei der Berlinale mit dem Silbernen Bären als Bester Schauspieler ausgezeichnet wurde.

Doch in der Konzentration und Schlichtheit teilt sich mit, was Arslan ausdrücken will: Die Ratlosigkeit des erwachsenen und des heranwachsenden Mannes im Umgang miteinander, die insistierend oft auch in Kamera- und Autofahrten übersetzt wird, auf denen das Schweigen bleiern lastet. Ohne viele Worte erzählt Helle Nächte vom Fluch männlicher Zuschreibungen und deren unseliger Weitergabe.
Nichts passiert – bis dann doch was passiert –, aber am Ende ist wohl eher wenig passiert; jedenfalls lässt sich keiner was anmerken, schließlich handelt es sich hier um Männer.