Casting Film

Filmkritik

Casting

| Alexandra Seitz |
So berührend wie lustig: Einblicke in die Nöte eines Berufsstandes

Nicolas Wackerbarths Casting ist ein im Auftrag des Fernsehsenders SWR entstandener Improvisations-Film, der wiederum vom Casting für ein im Auftrag eines Fernsehsenders entstehendes Remake von Rainer Werner Fassbinders berühmtem Liebesmelodram Die bitteren Tränen der Petra von Kant handelt. Ein Blick hinter die Kulissen sozusagen. Ein Set-Bericht. Ein Making-of, das hier allerdings oftmals eher einem Unmaking-of gleichkommt.

In selbigem spielt der erfolgreiche und immer gern gesehene Schauspieler Andreas Lust den erfolg- und arbeitslosen Schauspieler Gerwin, der sich als Anspielpartner (im Metier auch als „Anspielwurst“ bekannt) verdingt. Das heißt, dass er in Vertretung des bereits gecasteten männlichen Hauptdarstellers den Schauspielerinnen, die sich um die weibliche Hauptrolle bewerben, die Stichworte gibt und als Projektionsfläche dient. Während sich nun in Probeaufnahmen ein regelrechtes Who is Who hochkarätiger, deutschsprachiger Miminnen – darunter Corinna Kirchhoff, Victoria Trautmansdorff und Andrea Sawatzki – um den Zuschlag bemüht, verzweifelt das TV-Team im Hintergrund an den reichlich verblasenen, filmkünstlerischen Ansprüchen von Regisseurin Vera und droht die ganze Produktion auseinanderzufallen. Gerwin aber wittert seine Chance und gibt alles.

Auch Wackerbarth – 1973 in München geboren, ausgebildeter Schauspieler und Regisseur, Mitherausgeber der Filmzeitschrift „Revolver“, Dozent, Kurator und Autor – hat schon als Anspielpartner gearbeitet; und es ist nicht zuletzt die spürbare Vertrautheit aller Beteiligten vor und hinter der Kamera mit den zur Improvisation gehörenden Situationen, die Casting zu einem ebenso faszinierenden wie außerordentlich unterhaltsamen Beispiel von selbstreflexivem Meta-Kino macht.

Diese vielfach schillernde, mehrbödige Tragikomödie erzählt nicht nur von den Nöten arbeitssuchender Künstler und Künstlerinnen, sondern sie dokumentiert auch den kreativen Prozess der Rollenerarbeitung. Wobei sich, eine Umdrehung weiter, die beim Vorgang des Castings wirksamen, komplexen emotionalen Gemengelagen in der zu erarbeitenden Fassbinder-Vorlage spiegeln, die von der Ausbeutung, der Manipulation und der Korrumpierbarkeit einer von Liebe und Begehren geprägten Beziehung handelt. Oder nicht doch vielmehr vom Egoismus? Als mögliches Begleitstück zu Casting jedenfalls bietet sich ein weiterer Fassbinder-Film an: Warnung vor einer heiligen Nutte.