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Die Einsiedler

| Alexandra Seitz |

Wortkarges, bildgewaltiges, hervorragend besetztes Bergbauerndrama

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Der „hinige Hof“, wie ihn Alberts Mutter Marianne einmal nennt, liegt hoch droben am Berg, und das Leben auf ihm ist für die alte Bäuerin und ihren Mann Rudl kein Zuckerschlecken. Mit Müh und Not bewältigen sie ihre Land- und Viehwirtschaft, die ohnehin zusammengeschrumpft ist aufs Allernotwendigste.
Marianne und Rudl wollen die Letzten sein auf dem Eggerhof, der hernach aufgegeben werden soll. Albert haben sie daher ins Dorf geschickt, wo er eine Wohnung hat und in einem Marmorbruch arbeitet. Er hilft, wenn Not am Mann ist, aber herzlich kann man das Verhältnis zwischen ihm und seinen Eltern nicht nennen. Der Tod seiner drei Geschwister, die einer Lawine zum Opfer gefallen sind, lastet schwer auf der Familie. Das Trauma steckt in ihren Knochen. Der Schmerz und die ohnmächtige Wut und der sinnlose Jammer der Jahre hat sie in die Sprachlosigkeit geführt, ins Schweigen. Nach außen sieht das aus wie Lieblosigkeit, dabei ist es nur die Angst, dass die, die noch da sind, auch noch gehen. Und dann steht der Winter bevor, und es regnet durchs Dach – und der Versuch der Reparatur wird Rudl zum Verhängnis.

Von schwierigen Lagen erzählt der aus Bozen gebürtige Ronny Trocker in seinem Spielfilmdebüt Die Einsiedler, und zwar zuvörderst, indem er an die Stelle gewaltiger Worte mächtige Bilder setzt. Alpenpanoramen, Landschaftstotalen, Industrieprospekte, in denen wiederum die Figuren sich zu ameisenhafter Unbedeutendheit geschrumpft und wie isoliert sehen, buchstäblich. Denn die Blicke, die sie in die Welt richten und auf den anderen, sie werden nicht erwidert, nur zurückgeworfen und haben längst schon aufgehört, hoffnungsvolle zu sein. Was sie stattdessen sehen, ist der Mitmensch, der sich abwendet, ist das kalte Gestein, ist das widrige Wetter, sind der Verfall, das Unheil, der Tod. Dass Marianne schließlich das Kruzifix aus dem Herrgottswinkel schießt, geschieht nicht von ungefähr. Und ist im Übrigen ein gutes Beispiel für Trockers prägnante visuelle Strategie, mittels derer er Gefühlswelt und Innenleben seiner Figuren in den Außenraum übersetzt.
Selten noch sah man das Wortkarge, das der bäuerlichen Existenz immanent ist – ob nun klischeehalber oder tatsächlich, bleibe einmal dahingestellt –, derart treffsicher artikuliert. Zudem zwingend verkörpert von Ingrid Burkhard und Andreas Lust, die als Mutter am Berg und Sohn im Steinbruch mehr als nur ihre jeweilige existenzielle Last in scharfen Kontrast zueinander setzen.

 

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