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Vor uns das Meer / The Mercy

Vor uns das Meer / The Mercy

| Pamela Jahn |

Colin Firth zerknirscht auf hoher See

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Fünfzig Jahre ist es jetzt her, dass der britische Hobby-Segler Donald Crowhurst als einer von insgesamt neun Kandidaten zur ersten Regatta um die Welt aufbrach, angespornt von einem für damalige Verhältnisse stolzen Preisgeld von 5000 Pfund und dem dringenden Bedürfnis, sich und seiner Familie zu beweisen, dass auch in ihm noch mehr steckte, als sein bescheidenes Leben als glückloser Geschäftsmann bisher zu offenbaren vermocht hatte. Die Eckdaten der spektakulären Geschichte, vom selbstgebauten Boot bis hin zu Crowhursts spurlosem Verschwinden auf hoher See, schienen von vornherein wie geschaffen fürs Kino und so verwundert es kaum, dass gut zehn Jahre nachdem Jerry Rothwell and Louise Osmond den Fall in ihrer beeindruckenden Dokumentation Deep Water beleuchteten, nun plötzlich zwei Spielfilme gleichzeitig daherkommen, um Crowhursts Schicksal auf die Leinwand zu stemmen.
The Mercy, unter der Regie von Oscar-Gewinner James Marsh, ist dabei eindeutig der Vorzeigefilm von den beiden, und es bleibt abzuwarten, ob Crowhurst, inszeniert vom bisherigen Low-Budget-Horror-Spezialisten Simon Rumley es überhaupt in die hiesigen Kinos schaffen wird. Wünschenswert wäre ein Vergleich der beiden Versionen jedoch allemal, zumal Marsh, der für sein Projekt eine hervorragende Besetzung um Colin Firth als Crowhurst und Rachel Weisz als seine ihn stützende und doch endlos besorgte Frau gewinnen konnte, schließlich trotzdem um einiges am Ziel vorbeisegelt.
Wobei Firth daran am wenigsten Schuld trifft. Anfänglich von einer kindlichen Naivität beseelt, wird dem von ihm verkörperten Protagonisten der Ernst seiner ausweglosen Lage auf See plötzlich schneller bewusst, als ihm lieb ist: Der eigenhändig entwickelte Trimaran weist nicht nur erhebliche Mängel auf, sondern wirft ihn im Wettbewerb von Anfang an erheblich zurück, und so sieht er bald keine andere Lösung, als zu unlauteren Mitteln zu greifen, die ihn im Laufe der Monate sogar in Spitzenposition bringen sollen – wenn auch nur rein theoretisch. Doch mit zunehmender Isolation und Erschöpfung überkommen den einsamen Segler immer öfter Zweifel, Panik und Scham ob der Konsequenzen seines Handelns. Firth gelingt es seiner Figur in diesen Momenten genügend Menschlichkeit einzuflößen, um dem immer brutaleren Kampf mit sich selbst und dem erbarmungslosen Meer die nötige Gravität zu verleihen. Dennoch bleibt The Mercy insgesamt weit hinter so meisterlich reduzierten Überlebensdramen wie etwa J. C. Chandors All Is Lost zurück und bewegt sich stattdessen über weite Strecken auf allzu sicherem Terrain, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

 

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