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The King – Mit Elvis durch Amerika

The King - Mit Elvis durch Amerika

| Jakob Dibold |

Rock and Roll, Gesellschaft und Individuum, Licht und Schatten

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Tupelo, Memphis, Hollywood und Las Vegas – wenn man sich in den Kopf setzt, in Elvis Presleys originalem 1963er Rolls Royce der Lebensgeschichte des Kings auf den Grund zu fahren, sind diese vier Orte die logischen Hauptstationen einer solchen Reise. Doch als bloß nacherzählerische Spurensuche tarnt sich Eugene Jareckis Projekt höchstens ganz zu Beginn, denn rasch wird klar, dass Elvis hier nicht als Musiker oder als Mensch im Rampenlicht steht, sondern als Phänomen, das nicht weniger als die Gesamtentwicklung der Nation und Weltmacht USA versinnbildlichen soll.

Das gelingt auch. Obwohl es an gewöhnlichen Archivaufnahmen nicht mangelt, prägen sich vor allem die kritischen Stimmen und Vorwürfe der kulturellen Aneignung (in positivem Sinne emotional, dabei aber sehr ausgeglichen und überzeugend: Chuck D von Public Enemy), die Charakteranalysen von Elvis‘ berüchtigtem Manager Colonel Parker und Sun-Records-Betreiber Sam Phillips, sowie die mit essayistischem Geschick eingesetzten filmgeschichtlichen und politischen Referenzen und Analogien stärker ein als die Musiksequenzen. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass Jarecki auf seinem Trip alle möglichen, mitunter prominenten Gäste auf der Rückbank Platz nehmen lässt und die Stimmung so andauernd umfärbt. So nehmen junge afroamerikanische Blues- und Gospel-Singer aus Memphis oder ein Country-Star im Kindesalter mit ihrer Band zeitweise ebenso auf dem edlen Leder Platz wie Ethan Hawke, Ashton Kutcher oder Alec Baldwin.

Das Anzweifeln des amerikanischen Traums und das allgemeine Gefühl des gesellschaftlichen Niedergangs, das den endlosen Highway-Fahrten immer deutlicher spürbar anhaftet, führt jedoch bei allem Abschweifen immer wieder ganz nahe zu Elvis zurück. Wir erhalten tiefe Einblicke in die Zeit nach dem Durchbruch, die sich viel zu rapide vergrößernde Popularität, die Zeit bei der Army, die auf den ersten Blick mehr einem PR-Stunt als ernstem Wehrdienst glich, die Zeit in Hollywood und schließlich in die Zeit in Las Vegas, die schlussendlich das Ende des Königs bedeuten sollte. Dazwischen schwebt in unterschiedlicher Fasson immer wieder die generelle Frage danach, wie Menschen mit Macht umgehen. Obwohl es zunächst vielleicht überambitioniert wirkt, gelingt Jarecki beides: ein intimes Porträt einer der außergewöhnlichsten Figuren der Popkultur und gleichzeitig eine politische Parabel auf eine Gesellschaft, die ihre eigenen Weichen selbst auch immer mehr in Richtung Selbstzerstörung zu stellen scheint.

 

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