Fiebrig flirrender Blick auf die Tragödie der Kolonialisierung Lateinamerikas

Ein Mann schaut aufs Meer und wartet – sehnsüchtig, ungeduldig, vergeblich. Längst hätte Don Diego de Zama, ein der spanischen Krone unterstehender Magistrat, nach Spanien versetzt werden sollen, davon ist er überzeugt, und doch muss er hier, in einer Kolonie im Paraguay des 18. Jahrhunderts, ausharren. Ein neues Gesetz des Königs verbietet es gebürtigen Südamerikanern wie ihm, eine Karriere einzuschlagen, die ihm tatsächlich eine höhere Position in einer anderen, besseren Region in Aussicht stellen würde, womit sein Schicksal besiegelt scheint.

Doch Zama will von der Wahrheit nichts wissen, gibt sich weiterhin europäisch und vertreibt sich die Zeit akribisch mit zumeist völlig abwegigen Verwaltungsakten, die an diesem Niemandsort, an dem Korruption, Vetternwirtschaft und eine kafkaeske Bürokratie sich gegenseitig bedingen, keinerlei Sinn ergeben. Die lange Trennung von Frau und Kindern überbrückt er mit den ihm sich darbietenden Alternativen: Sei es eine Gruppe von nackten indigenen Frauen, die er heimlich zu beobachten versucht, eine Ansässige, der er bereits ein Kind gemacht hat, oder seine kokette Flamme Luciana Piñares de Luenga, die ihrer aller missliche Lage vielleicht am besten auf den Punkt bringt, wenn sie sagt: „An Europa erinnern sich diejenigen am besten, die nie da waren.“

Zehn Jahre ist es her, seit Lucrecia Martel mit The Headless Woman zum letzten Mal von sich reden machte, doch anders als für ihren Titelhelden hat sich das Warten in ihrem Fall gelohnt. Denn Zama bedeutet in mehrfacher Hinsicht eine spannende Neu- und Weiterentwicklung für die 51-jährige argentinische Regisseurin: Basierend auf dem 1956 erschienenen Roman ihres Landsmannes Antonio di Benedetto, steht in ihrem vierten Spielfilm nicht nur zum ersten Mal eine männliche Figur im Vordergrund des Geschehens, sondern Lucrecia Martel verwandelt ihr bildgewaltiges Historiendrama zugleich in ein optisch wie akustisch so betörendes Tropendelirium, das seinesgleichen sucht, anstatt sich möglichst realitätsnah an der zunehmend kuriosen Handlung abzuarbeiten.

Allein in der ständigen Geräuschkulisse aus Zikadenzirpen, Wasserrauschen und fremdartigen Untertönen der Natur stellt sich ein diffuses Gefühl der Bedrohung ein, das ihren Protagonisten zunächst immer tiefer in die Verzweiflung und den Film schließlich langsam in Richtung seines flirrend fiebrigen Finales treibt. Martels elliptische Erzählweise kann bisweilen sperrig anmuten, entwickelt jedoch eine ureigene, finstere Magie, der man sich nur schwer entziehen kann.