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Gundermann

Filmkritik

Gundermann

| Jörg Schiffauer |
Ein Leben zwischen den Zeiten

Im Zusammenhang mit seiner Biografie fällt wiederholt der Ausdruck, er sei „ein Widerspruch auf zwei Beinen“ gewesen. Gerhard Gundermann, den alle nur schlicht „Gundi“ nannten, führte in der Tat ein Leben, das irgendwie unglaublich erscheint. Geboren 1955 in Weimar, begann er ein Studium an einer Offiziershochschule der DDR, von der er aber wegen Befehlsverweigerung verwiesen wurde. Er arbeitete als Baggerfahrer im Tagebau, daneben entwickelte er parallel als Musiker und Songschreiber sein künstlerisches Werk, mit dem er in den Achtzigern zu einem populären Liedermacher in der DDR wurde. Seine Songs, mit denen er das Leben der Menschen im Lausitzer Braunkohlerevier so treffend zu beschreiben wusste, hatten auch in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung nichts an Gültigkeit und Kraft eingebüßt. Das war jedoch die Zeit, in der er sich auch mit einem Teil seiner Lebensgeschichte konfrontiert sah, die die Widersprüchlichkeit dieses vielschichtigen Charakters verdeutlicht: Der überzeugte Kommunist Gundermann, der aus der SED ausgeschlossen worden war, weil er immer wieder deutlich Kritik an den Arbeitsbedingungen im Bergbau äußerte, war seit den siebziger Jahren informeller Mitarbeiter der Stasi gewesen.

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Andreas Dresen und Drehbuchautorin Laila Stieler nähern sich mittels zweier Erzählstränge Gundermanns außergewöhnlicher Geschichte an. Mittels klug konzipierter Vor- und Rückblenden fokussiert Dresens Inszenierung vornehmlich auf die ersten Wendejahre, in denen Gerhard Gundermann (großartig nuanciert von Alexander Scheer verkörpert) die Stasi-Vergangenheit einholt, und die Zeit in den achtziger Jahren, die für ihn zeitweilig höchst turbulent verlief. Dresens Inszenierung – und das ist nur eine ihrer vielen Qualitäten – versucht erst gar nicht, alle Brüche in Gerhard Gundermanns Leben zu erklären oder gar abschließend zu beurteilen, weil viele Fragen in ihrer Komplexität ganz einfach keine simplen Antworten zulassen. Der Protagonist vermag dies übrigens am allerwenigsten, als er etwa in seiner Stasi-Akte liest, was er alles seinem Führungsoffizier (Axel Prahl) verraten hat – und in der Rückschau fassungslos über sich selbst ist.

Dass Gundermann am Schluss auch selbst von der Staatssicherheit bespitzelt wurde, ist nur eine weitere Facette seines Lebens, das auch ein Spiegelbild der Wendezeit darstellt, samt Verstrickungen in die Geschichte und persönlicher Schuld. Der Gundermann so eigenwillig und kompromisslos, changierend zwischen Trotzigkeit und auf Vergebung hoffend, begegnete, wie nahezu allen Dingen in seinem Leben, das 1998 unerwartet endete – Gundi erlag im Alter von 43 Jahren einer Gehirnblutung.