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Filmkritik

Wackersdorf

| Alexandra Seitz |
Fesselndes, beunruhigend brandaktuelles Politdrama, das vom Wachsen und Gedeihen fundamentaler bürgerlicher Tugenden unter erschwerten bayrischen Bedingungen handelt

Es mag schön und friedlich sein in der Oberpfalz, doch die Aussichten sind duster: Der Braunkohleabbau hat sich nahezu erledigt, mit der Maxhütte geht es bergab, die Landwirtschaft bringt nicht mehr viel ein. Die mögliche Ansiedlung eines „zukunftsweisenden, industriellen Großprojekts“ klingt da natürlich wie Musik in den Ohren eines besorgten Landrates. „Blitzsaubere Sache, Hightech und so weiter, alles in weißen Kitteln … und mindestens 3000 neue Arbeitsplätze.“ So hört sich, aus dem Munde des Herrn Staatsministers für Umweltfragen, ein Angebot an, das man nicht ablehnen kann.

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Bis er es dann eben doch ablehnt, der Herr Schuierer von der SPD, und mit ihm noch ein paar Hunderttausend andere, die den Kampf aufnehmen gegen die von der Bayrischen Staatsregierung unter Führung von CSU-Chef und Alleinherrscher Franz-Josef Strauß in Wackersdorf geplante Wiederaufarbeitungsanlage für nukleare Kernbrennstoffe.

Mittendrin ist man zu diesem Zeitpunkt bereits in diesem klugen Film, den Oliver Haffner als mustergültiges Politdrama inszeniert. Einsetzend 1981 mit oben erwähntem Angebot und endend 1986 mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl widmet sich Wackersdorf einem jüngeren Kapitel der Geschichte Bayerns und bereitet es als eine Lektion in Bürgersinn, Engagement und politischem wie moralischem Verantwortungsbewusstsein auf.

Was dabei ganz hervorragend gelingt, ist, die bedrückende, ja lähmende Atmosphäre fühlbar zu machen, die zu jener Zeit in Bayern herrschte; jene Mischung aus Spezlwirtschaft und Amigosumpf, die die demokratischen Strukturen verklebte, damals in noch höherem Maße als heute. In einigen wenigen prägnanten Szenen, die mit der Politsatire flirten, wird jene schlitzohrige Selbstherrlichkeit der CSU-Funktionäre auf den Punkt gebracht, die da meinen, mit dem kleinen Kaff in der Oberpfalz Schlitten fahren zu können.

Und die sodann kaltschnäuzig und brutal gegen die alsbald sich regende Bürgerbewegung vorgehen. So dass es schließlich zu jenen bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommt, die der Rest der Republik zunehmend entsetzt zur Kenntnis nehmen muss. Doch indem er den friedlichen Landrat, der sein blaues Wunder erlebt, zum zentralen Protagonisten wählt, lässt Haffner den wohlfeilen Vorwurf, den militanten Widerstand gegen die WAA zu verherrlichen, souverän links liegen. Denn die Geschichte Wackersdorfs ist die Geschichte einer Bewusstwerdung auf mehreren Ebenen. Und jeder kann sie nachvollziehen.