Ballon

Filmkritik

Ballon

| Hans Langsteiner |
Nicht nur heiße Luft: Bully Herbigs solider Thriller über eine historische DDR-Flucht

Man durfte skeptisch sein: Michael Bully Herbig, der Meister des tiefgelegten süddeutschen Parodie-Schmähs, als Produzent und Regisseur eines ernsten, noch dazu historisch verbürgten deutsch-deutschen Thrillers – konnte das gut gehen? Entwarnung: Es ging gut, sogar erstaunlich gut.

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Der Stoff hat seine Kinotauglichkeit schon einmal bewiesen. Mit dem Wind nach Westen hieß die Disney-Produktion aus dem Jahr 1980, die die damals erst ein Jahr zurückliegende spektakuläre Heißluftballon-Flucht zweier DDR-Familien aus Thüringen über die innerdeutsche Grenze nach Franken zum ersten Mal verfilmt hatte. Mit gehörigem antikommunistischem Furor wurde da die Tristesse des DDR-Alltagslebens in jenes Grau getaucht, vor dem sich die Freiheitsliebe der Ballonfahrer umso heller abheben durfte.

Es zählt nicht zu den geringsten Verdiensten dieser Neuverfilmung, dass sie sich um solche subkutanen Botschaften kaum kümmert. Hier geht es nicht um Sozialismus, sondern um Suspense. Bully Herbigs Film hält sich im großen und ganzen an die historischen Fakten, verdichtet sie aber zu einer Abfolge kleiner und größerer thrills, denen mögliche Analogien zu heutigen Flüchtlingsdramen weniger wichtig sind als die spannungsfördernde Parallelführung der familiären Flucht-Vorbereitungen mit den immer konkreter werdenden Fahndungserfolgen der Stasi.

Das Resultat bringt jetzt keine schluchterhellend neuen Erkenntnisse über das deutsch-deutsche Drama von einst, bewährt sich aber als grundsolider Thriller, der sympathischerweise nicht mehr sein will als das. Die DDR wird hier weder karikiert, noch dämonisiert, und auch die innerfamiliären Konflikte der Flüchtlinge bleiben nicht ausgespart.

Mitunter tut Herbig des Effektvollen freilich zu viel: Da illustrieren schwarzweiße Blitz-Visionen überdeutlich den psychischen Stress der Hauptfiguren, und eine unerwartete Verhaftung erweist sich im Nachhinein als bloße Schreckensvision. Auch geriet der Einsatz der synthie-lastigen Musiksauce so üppig, als befände man sich in einer durchschnittlichen Fernsehproduktion für den Hauptabend. Doch das sind verzeihliche Schwächen einer Produktion, die über hinreichend viele Stärken verfügt: agile Kameraführung, flüssige Montage, echte und nicht computergetrickste Ballons und ein homogenes Darstellerensemble, aus dem Thomas Kretschmann als differenziert gezeichneter Stasi-Oberst heraussticht. Wer hätte das einem Projekt zugetraut, von dem, Hand aufs Herz, nur heiße Luft zu befürchten war?