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Filmkritik

Aufbruch zum Mond / First Man

| Hans Langsteiner |
Neil Armstrongs Mondlandung als betont nüchternes Doku-Drama

Es ist fast paradox: Die erste Landung eines Menschen auf dem Mond am 20. Juli 1969, jenes „Größte Abenteuer der Menschheit“ (wie es damals euphorisch beschlagzeilt wurde) taugt im Gunde nicht zum Filmstoff. Anders als die (ebenfalls verfilmte) „Apollo 13“-Mission von 1970 verlief „Apollo 11“ weitestgehend komplikationsfrei und wurde zudem von einem Astronauten geleitet, den Zeitgenossen nicht ohne Grund als „lebenden Computer“ charakterisierten.

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Es ist also nur naheliegend, dass Regisseur Damien Chazelle (La La Land) den Hauptakzent seines zweieinviertelstündigen Films auf die Vorgeschichte der Mondmission legt. Die kräfteraubenden Tests der Gemini-Programme, die oft buchstäblich ins Trudeln geratenen Flugversuche außerhalb der Erdatmosphäre und die Brandkatastrophe vom Jänner 1967, bei der drei Astronauten während einer Startsimulation den Tod fanden, nehmen in dem Film breiten Raum ein; der eigentliche Mondflug schrumpft da fast zum Appendix.

Auch im Tonfall unterläuft First Man Erwartungen. Hier geht es nicht um den „Stoff, aus dem die Helden sind“ (um einen anderen Astronautenfilm, Philip Kaufmans The Right Stuff von 1983, zu zitieren), dies ist das Gegenteil eines patriotischen Verklärungsdramas. Nüchterner Protokollstil dominiert, lakonische Text-Einblendungen informieren dokumentarisch über Ort und Zeit, und die (etwas nervige Hand-)Kamera bleibt stets nahe genug an den Gesichtern, um den sich darin abzeichnenden Stress zu registrieren. Was es bedeutet, auf einem lebensgefährlichen Weltraumflug in einer engen Kapsel von gigantischen Antriebsmotoren durchgerüttelt zu werden – dieser Film vermittelt es hautnah.

Die rigide Innensicht verengt freilich spannungsmindernd den Horizont. Dass die US-Mission auch durch den geopolitischen Konflikt befeuert wurde, ist dem Film nur zwei kurze Hinweise wert; die sowjetische Luna 15-Rakete, die zeitgleich mit Apollo 11 ins All geschickt worden war und für einige Irritationen gesorgt hatte, fehlt gleich ganz.

Mond-Pionier Neil Armstrong hätte sich durch sie ohnehin nicht beirren lassen. Ryan Gosling, Hollywoods Allzweckwaffe für interessant gebrochene Charaktere, führt in seiner makellos kontrollierten Performance vor, wie dieser Mann angesichts der Katastrophen in seinem Umfeld innerlich immer mehr versteinert. Nicht einmal das Wiedersehen mit seiner Frau nach überstandenem Mondflug entlockt ihm ein Lächeln. Dass solche Szenen lange nachhallen, ist nicht das geringste Verdienst dieses vielleicht etwas zu demonstrativ unheldischen Heldendramas.