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Bohemian Rhapsody Rami Malek

Bohemian Rhapsody | Interview

Somebody to love

| Dieter Oßwald |
Rami Malek im Gespräch über seine Rolle als Freddie Mercury.

Die Idee eines Queen-Films entstand schon im Jahr 2006. Gitarrist Brian May wollte Johnny Depp für die Hauptrolle gewinnen, später war auch der britische Comedian Sacha Baron Cohen im Gespräch. Schließlich bekam der US-Darsteller Rami Malek, Sohn ägyptischer Einwanderer, die Rolle der Rock-Ikone. Inszeniert wurde Bohemian Rhapsody vom offen schwulen Regisseur Bryan Singer – der noch während der Dreharbeiten seinen Job verlor. Offiziell, weil er unentschuldigt mehrere Tage nicht am Drehort erschien. Singer rechtfertigte seine Abwesenheit mit der Krankheit seiner Eltern. US-Medien hingegen verwiesen auf die Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegen den 53-jährigen Regisseur. Die restlichen 16 Drehtage übernahm Produzent Dexter Fletcher die Regie. Gleichwohl gilt Singer als Regisseur, allein er wird im Abspann genannt.

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Von einem schwulen Filmemacher wie Bryan Singer hätte man sich bei diesem Biopic über eine schwule Rock-Star-Ikone wie Freddie Mercury schon ein bisschen mehr gayness erwarten können. Die erste Begegnung mit einem LKW-Fahrer auf einer Toilette, die Besuche einer Lederbar oder die Jungs in der Münchner Villa – solche Szenen werden nur wenige Sekunden lang angedeutet. Verschämte Prüderie herrscht auch da, wo die Band-Mitglieder auf den schwulen Freddie reagieren oder später mit dessen beginnender Aids-Erkrankung umgehen müssen.

Ein weiterer Minuspunkt der Film-Erzählung ist das völlige Fehlen von „Barcelona“, dem Duett mit Montserrat Caballé, das für Mercury so wichtig war. Da spürt man deutlich, wem Produzent Brian May hier eigentlich ein Denkmal setzten wollte.

Völlig vergeigt hat man auch das computergeniererte Publikum im Wembley-Stadion. Was hingegen sehr gelungen ist, sind die Gesangsauftritte. Sie allein machen das Biopic dann doch noch zum lohnenden Kinoereignis.

Rami Malek wurde 1981 in Los Angeles geboren. Bekannt wurde er erstmals als Kenny in der Sitcom Familienstreit de Luxe. Gastrollen spielte er in Serien wie 24, Medium oder The Pacific. Für die Rolle des Elliot Alderson in der großartigen Hacker-Serie Mr. Robot bekam er einen Emmy sowie zwei Golden-Globe-Nominierungen. 2012 war Rami Malek der Benjamin in der Twilight-Saga Breaking Dawn. Zu seinen weiteren Kinofilmen gehören Need for Speed, Nachts im Museum sowie das Remake von Papillon.

 


Interview mit Rami Malek

Mister Malek, auf Ihrem T-Shirt steht „Hero“. War Freddie Mercury ein Held für Sie?
Rami Malek:
Mittlerweile ist Freddie ein sehr großer Held für mich geworden. Ich habe wirklich viel von diesem Mann gelernt. Seine Persönlichkeit auf der Bühne wurde geprägt durch eine regelrechte Explosion seiner Identität. Freddie führte diesen Kampf, die eigene Identität zu entdecken und hat das in seiner Musik umgesetzt. All das hat er auf der Bühne mit Tausenden seiner Fans geteilt. Für mich ist das ziemlich heroisch. Seine Botschaft lautete: Es ist okay, genau der zu sein, der du bist! Damit vermittelte er jedem das kollektive Gefühl, auf sich selbst stolz sein zu können.

Worin lag die größte Schwierigkeit bei dieser Rolle?
Rami Malek: Gleich am ersten Drehtag stand das „Live Aid“-Konzert im Wembley Stadion auf dem Plan. In diese Szenen musste ich enorm viel Energie und Gefühle stecken, was zu Beginn der Dreharbeiten ein Sprung ins kalte Wasser ist. Zudem war klar: Wenn mir diese entscheidenden Sequenzen nicht gelängen, würde alles andere auch nicht klappen. Du spielst diese Ikone Freddie Mercury, einen der wichtigsten, revolutionärsten Künstler für Generationen. Und dann sollst du am ersten Tag deine Version liefern von dem vermutlich größten Auftritt in der Geschichte der Rock-Konzerte – das kann schon etwas einschüchternd wirken!

Waren Brian May und Roger Taylor von Queen an diesem ersten Drehtag mit dabei?
Rami Malek: Beide waren da und boten mir unglaublich viel Unterstützung. Brian und Roger hatten mich schon beim Vorsprechen erlebt und mich sehr früh akzeptiert. Wobei Brian zu einem wahren Cheerleader für alle wurde. Er gab mir seine Telefonnummer und Mail-Adresse, was er überhaupt nicht nötig hätte – was ich jedoch reichlich genutzt habe. Brian wurde wie ein Mentor für mich. Es war dann schon etwas seltsam, wenn ich am Set in den Pausen als Freddie mit dem realen Brian plauderte. Ich glaube, der Film hat nostalgische Gefühle in ihm ausgelöst.

Wie sehen Sie die Ikone, die Sie spielen?
Rami Malek: Freddie ist praktisch Gott, er kommt wie aus einer anderen Welt. Er verfügte mit seiner Stimme und den Auftritten über eine Anziehungskraft, die niemand auch nur annähernd erreichte. Aus dieser Perspektive betrachtet, wirkt das alles ein bisschen zu überwältigend. Als Schauspieler hat man allerdings auch einen Blick auf den Menschen hinter alledem. Genau darin bestand mein Zugang zu dieser Rolle: Ein junger Mann mit ganz bescheidenen Anfängen, der sich nicht nur wegen seiner Herkunft als Fremder fühlt. Der unter seinen auffallenden Zähnen leidet. Und der nach seiner Identität sucht. Wäre das nicht schon kompliziert genug, muss er um seine sexuelle Identität ringen. Für andere sind das unüberwindliche Hindernisse, doch Freddie entwickelte sich genau zu jenem Menschen, der er sein wollte. So eine Geschichte macht einen sehr emotional.

War die Bühne eine Flucht vor den privaten Problemen? War er dort ein anderer Mensch?
Rami Malek: Er hat keinen Schalter umgelegt und wurde zu dem anderen Mercury. Freddie auf der Bühne ist ein Version von ihm. Es wie ist eine Eruption dessen, was in ihm vorgeht. Wenn das Publikum auf sein Stampfen reagiert, passiert etwas Wildes, Magisches und Schönes in ihm – und ebenso in den Zuschauern von der ersten bis zur letzten Reihe. Anders als andere blickte Freddie nicht nur in die ersten vier Ränge, sondern immer bis ganz an das Ende. Dort standen diejenigen, die sich keine teuren Karten leisten konnten.

Eine große Rolle im Film spielt die Beziehung zu Mary Austin. Wie sehen Sie deren Bedeutung?
Rami Malek: Mary bedeutete die Welt für Freddie. Überraschenderweise wissen nur wenige, welchen Einfluss sie auf sein Leben hatte – was sich nach dem Film ändern wird! Mary war die Liebe seines Lebens, für sie schrieb er „Love of My Life“. Sie war seine engste Vertraute und verstand ihn wie niemand sonst. Sechs Jahre lang lebten sie in einer romantischen Beziehung und blieben bis zu seinem Tod in Verbindung. Ohne Mary hätten wir keinen Freddie Mercury, wie wir ihn heute kennen.

Sein Schwulsein wurde im Boulevard kolportiert. Weshalb hat er sich selbst öffentlich nie dazu geäußert?
Rami Malek: Das Außergewöhnlichste an seiner Sexualität war, dass er nie darüber sprach. Er überwand all diese Etiketten und Schubladen, mit denen wir Leute gerne versehen. Er hat sich nie eingeschränkt. Er war einfach. Ich glaube, das macht ihn zu einer noch größeren Ikone, wenn das überhaupt möglich ist. Deswegen ist er so zugänglich für jeden.

Wo liegen die Fallstricke beim Spielen einer realen Person?
Rami Malek: Ich wollte Freddie nie imitieren oder als Karikatur darstellen. Mein Plan war, mich als Rami zu verschmelzen mit dem Freddie Mercury, wie ich ihn mir vorstelle. Die Figur entspricht nicht exakt dem realen Freddie, sondern es steckt auch ein Stück Seele von mir darin. Wichtig war für mich, die Verspieltheit, den Übermut und die Freude von Freddie zu vermitteln.    

Haben Sie Mercurys Freunde oder die Familie getroffen?
Rami Malek: Freddies Schwester kam einmal zu den Dreharbeiten. Als sie bemerkte, dass ich bei einer Szene ein paar Wiederholungen zu viel verlangte, meinte sie zu mir: „Freddie war zwar ein extremer Perfektionist. Aber er wusste immer auch, wie man seinen Spaß haben kann!“.

Der Film endet mit dem „Live Aid“-Konzert 1985. Weshalb fehlt das drei Jahre spätere, für Mercury sehr bedeutende „Barcelona“ mit Opernsängerin Montserrat Caballé?
Rami Malek: Ich liebe „Barcelona“, mir gefällt die Idee, dass Freddie Opern singt. Diese gemeinsame Aufnahme mit Montserrat Caballé wäre eine schöne Geschichte, aber wir haben eben nur zwei Stunden Zeit für den Film, und ich finde „Live Aid“ ein schönes Ende. Vielleicht machen wir „Barcelona“ dann ja in der Fortsetzung, falls es zum Kassenerfolg wird! (Lacht.)

Wie sah die Vorbereitung aus?
Rami Malek: Ganz am Anfang, noch bevor wir eine Finanzierung hatten, boten mir die Produzenten einen Dialog-Trainer. Darauf sagte ich, ich brauche Gesangs-, Klavier- und Tanzunterricht. Also habe ich auf eigene Kosten einen Flug nach London gebucht und dort gelernt. Ich dachte, wenn das Projekt zustande kommt, bin ich sofort parat. Diese Gelegenheit, Freddie Mercury zu spielen, wollte ich auf keinen Fall verpassen. Wenn diese Chance tatsächlich kommt, wollte ich gut vorbereitet sein. Unsicherheit wäre das Letzte, was man mit Freddie Mercury verbindet.

Wie groß ist die Unsicherheit in Ihrem Beruf?
Rami Malek: Schauspielerei kann einen schon ganz schön high machen. Da wird man manchmal so abhängig wie von Drogen. Es ist ein großartiges Gefühl, mit Kollegen und der Crew in so phänomenalen Kulissen zu arbeiten. Für mich ist das wie ein Besuch in Disneyland. Als wäre das nicht genug, stehst du auf der Bühne und spielst diesen Rockstar – mehr Adrenalin geht kaum!

Wie haben Sie das mit dem Singen gemacht? Es wirkt wie ein perfektes Playback …
Rami Malek: Aus dem oberen Brustkorb heraus zu singen ist schwierig, ich bin schließlich kein ausgebildeter Sänger. Also haben die Techniker so viel wie möglich von meiner Stimme entfernt und jene von Freddie verwendet. Das war der Wunsch von Brian May und Roger Taylor – und auch von mir. Schließlich wollen die Fans möglichst oft die Stimme von Freddie hören, für mich hat er die wunderbarste Stimme, die ich kenne. Es gibt auch Momente, wo meine Stimme zu hören ist – aber das ist eben nun einmal so.

Waren Sie mit Queen in Ihrer Jugend vertraut?
Rami Malek: Ich weiß nicht mehr, wie alt ich genau war, auf jeden Fall war ich noch ziemlich jung, als ich „Bohemian Rhapsody“ zum ersten Mal im Radio hörte. Ich wusste nicht, was das sein sollte. Für mich war das noch nicht einmal ein Song. Aber ich hatte sofort das Gefühl, auf einer emotionalen Achterbahn zu sein. Ich war begeistert, dass Musik solche Effekte auslösen konnte.

Haben die künstlichen Zähne keine Probleme verursacht?
Rami Malek: Das Küssen fiel damit wirklich schwer. Bei „We Will Rock You“ schlug ich einmal zu stark gegen das Mikrofon und hatte Angst, dass die Zähne zerbrechen. Ich habe mich nie an dieses Gebiss gewöhnt, das wollte ich bewusst gar nicht. Diese Zähne waren eine versteckte Verletzbarkeit für Freddie. Sein ganzes Leben lang hat er versucht, sie möglichst zu verbergen. Noch in seinem letzten Interview kann man gut sehen, wie er mit der Hand seinen Mund verdeckt.

Käme Freddie Mercury jetzt zur Tür herein, was würden Sie ihn fragen?
Rami Malek: Ich würde gar nichts fragen. Ich würde einfach nur zuhören, was er alles zu sagen hat.