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The Guilty

Filmkritik

The Guilty / Den skyldige

| Pamela Jahn |
Kammerspiel des Horrors

Es zählt zu den Glücksmomenten des Kinos, einen Film zu sehen, von dem man zunächst kaum etwas weiß und vielleicht noch weniger erwartet, der einen dann aber so mitreißt und wortwörtlich am Kragen packt, dass man gar nicht anders kann, als den Vorführsaal am Ende völlig bestürzt, gerädert und euphorisch zugleich wieder zu verlassen. The Guilty, das Erstlingswerk von Gustav Möller, ist so ein Sonderfall und die erneute (stets willkommene) Bestätigung, dass es weder Stars noch ein überdimensionales Budget braucht, um auf der Leinwand spannende und intelligente Geschichten zu erzählen.

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Der Ort des Geschehens ist eine Polizei-Notrufzentrale, in der Asger Holm missmutig seinen Job als Ersthelfer ausübt. Wie sich herausstellt, ist er aufgrund eines mysteriösen Vorfalls vom Streifendienst suspendiert worden. Eine Gerichtsverhandlung steht unmittelbar bevor, der Asgar mit Unbehagen entgegensieht. Doch als er gerade den Dienst beenden will, um sich vor dem Termin eine ruhige Nacht zu gönnen, erhält er einen Notruf von Iben, die behauptet, gekidnappt worden zu sein. Schlimmer noch: Die völlig verängstigte Frauenstimme am anderen Ende der Leitung berichtet, dass der Entführer ihr eigener Ehemann sei, und dass sie zwei Kinder hat, die nun allein und unbeaufsichtigt zu Hause sind, während ihre Mutter irgendwo auf der Autobahn um ihr Leben fürchtet. Mit aller ihm zur Verfügung stehenden Mittel versucht Asgar, der jungen Frau zu helfen und die Situation aus der Zentrale heraus unter Kontrolle zu bringen. Doch mit jeden neuen Anruf von Iben scheinen sich die Tatsachen ein Stück weiter ins Grausame, Unvorstellbare zu verschieben und so sieht sich der Polizist schließlich im Wettlauf mit der Zeit und gegen eine Welt, die schließlich seine Vorstellung von Gut und Böse in Frage stellt.

Was der dänische Regisseur Gustav Möller in seinem ersten Langfilm bewältigt, ist ebenso famos wie niederschmetternd. In 85 präzisen, permanent bis zum Äußersten angespannten Filmminuten erschafft er ein geschickt verschachteltes Kammerspiel des Horrors, das so gekonnt die Erwartungen seines Publikums jongliert, dass man sich ohne weiteres auf das makabre Spiel einlässt, in dem es keine Gewinner oder Verlierer, sondern nur Täter und Opfer gibt. Immer enger ziehen Möller und sein Ko-Autor Emil Nygaard Albertsen somit im Laufe der Handlung die Stränge zu einem erstklassigen Thriller zusammen, erkunden Asgars innerste Gedanken, sein Handeln und Sein, bis irgendwann klar ist, dass es kein Zurück mehr gibt und das, was folgt, in der brutalen Realität enden muss, die das Leben immer wieder bereithält.