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Filmkritik

Loro - Die Verführten / Loro

| Pamela Jahn |

Paolo Sorrentino versucht sich an Berlusconi – und beißt sich die Zähne aus.

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Es geht direkt los, mitten hinein in die Party und damit ins Leben des Mannes, um den sich hier alles dreht: Silvio Berlusconi (Toni Servillo). Zu sehen ist er zwar noch nicht und wird auch noch eine ganze Weile abwesend bleiben, aber die Welt, die sich hier verausgabt, rotiert im Grunde nur um ihn. Denn nur von „ihm“ ist die Rede, nur „ihm“ will man imponieren und „ihn“ will man, zumindest im Fall des ambitionierten Sergio (Riccardo Scamarcio), auf jeden Fall schnellstmöglich auch persönlich kennenlernen. Denn Sergio hat es sich zum Ziel gemacht, in den inneren Kreis von Berlusconis Handlangern vorzudringen. Dafür organisiert er Luxuspartys im „Bunga-Bunga“-Stil, in der Hoffnung mit jeder Menge schöne Frauen, Koks und exzessiver Freikörperkultur das Interesse und die Aufmerksamkeit des mächtigsten Mannes von Italien zu wecken. Der jedoch, obwohl amüsiert angetan von den Bemühungen um seine Person, ist vielmehr damit beschäftigt, seine politische Stellung zurück zu gewinnen, die er nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit 2006 eingebüßt hat. Nur dafür tut er, was er kann, besticht, korrumpiert und interveniert, um erneut an die Macht zu gelangen.

Nach Giulio Andreotti in Il Divo ist Berlusconi bereits die zweite zwiespältige Politikergestalt, der sich Paolo Sorrentino in fiktiver und darüber hinaus ungeniert stilisierter Form annähert. Und man könnte fast meinen, Sorrentino verfolge ein höheres Ziel in seinem Bestreben, die komplexen Irrungen und Wirrungen zwischen Männlichkeit, Macht und Misogynie zu verfolgen. Die exzessiven Party-Szenen inszeniert er zumindest bewusst mit maximaler Geschmacklosigkeit, hält unablässig drauf auf nackte Brüste und wohlgeformte Hintern, sodass es nicht lange dauert, bis einem die Lust am Schauen vergeht. Mit einem „zarten Blick auf die Verletzlichkeit eines alten Mannes“, wie Sorrentino seinen Film selbst zu umschreiben wusste, hat Loro demnach jedoch ungefähr so viel zu tun wie die Kirchenverwaltung mit dem lieben Gott. Anstatt sein künstlerisches Genie so gekonnt einzusetzen wie einst in seinem barocken Andreotti-Biopic, schießt er diesmal im großen Bogen über sein Talent hinaus, verfängt sich allzu oft in Gemeinplätzen und lässt Handlungsstränge immer wieder ins Leere laufen.

Fragwürdig erscheint auch die Laufzeit  des ursprünglich in zwei Akten von insgesamt 204 Minuten konzipierten Films, für den internationalen Vertrieb erstellte Sorrentino einen gekürzten Director’s Cut. Vielleicht liegt gerade in der unermüdlichen Wiederholung des Immergleichen die perfide Krux des Ganzen. Trotzdem möchte man, wenn der Abspann läuft, am liebsten so schnell wie möglich das Kino verlassen und sich die klischeebeladenen Bilder von den Augen waschen.