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Filmmuseums-Publikationen – Gustav Deutsch ist.

Gustav Deutsch ist.

| Barbara Wurm |

Ein Sammelband aus der Reihe FilmmuseumSynemaPublikationen umkreist den uneinholbaren Filmkometen.

Zunächst sind da einmal wunderbar bizarre Ideen. Der ebenso wunderbar akribische Appendix gibt sie preis: „Internationaler Sendeschluß – transmission endings of 48 stations from 20 countries all over the world.” Wer hätte davon schon nicht immer mal geträumt? Einer leicht ver-rückten Neugier plus endloser Sammlerleidenschaft nicht nur einfach nachzugehen, sondern auch noch Ausdruck zu verleihen. Mannigfaltig. Projektorientiert. Aleatorisch. Experimentell. Belehrend. Fragmentarisch. Und gerade deshalb enzyklopädisch. Oder vielleicht doch: kaleidoskopisch. Found footage heißt zunächst: Suchen. Und dann: Das Viele in eins zu bringen, zwanglos, nicht-maschinell, und doch formal strukturiert, nach-vollziehbar – (psycho)logisch wie aisthetisch, hirn- wie sinn(es)orientiert, die Realisierung dessen eben, was im normalen Leben (oft) ein Traum bleiben muss. Kurz und nachhaltig wie ein Blitz – Einminüter wie Film/Spricht/Viele/Sprachen (1995) oder Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche (1999). Ausladend wie das Archiv selbst – die zentralen Arbeiten Film ist. 1-6 (1998), Film ist. 7-12 (2002) sowie Welt Spiegel Kino (2005). Quer durch alle Genres (Lehrfilm, Porno, Avantgarde), Geburtsstätten des Kinos (Labor, Jahrmarkt),  Sehnsüchte (Eros, Thanatos, Kosmos), Fetische (Material, Archiv), Berufungen (Architektur, Kunst, Archäologie) oder Landstriche (Surabaya/Indonesien, Wien/Erdberg). Und das auf mehreren Kanälen. Denn da ist zweitens – neben der Vielfalt des Erforschenswürdigen selbst – die ebenso große Bandbreite der (gesprengten) Rahmen, Formate und Medien, in denen sich diese spezifische „Filmwesensforschung“ entfaltet: „Für Gustav Deutsch ist cinema anders als expanded nicht zu denken“, schreibt Stefan Grissemann als einer von zehn Autorinnen und Autoren zu dem Band. Gustav Deutsch & Hanna Schimek noch gar nicht mitgerechnet: Von ihnen stammen die Bildteile des Buches – Zeichnungen vs. Filmstills aus dem aktuellen Chef d’oeuvre, Kapitel 13, Film ist. a girl & a gun, sowie Fotos zu Installationen und Performances. Deutsch kommt zudem ausführlich zu Wort, im E-Mail-Interview mit „Avantgarde-Papst“ Scott MacDonald. Aufschlussreich, sachlich, witzig und uneitel ist das – und präfiguriert jenes Netz, das die einzelnen Texte rund um seine Arbeitsweise nach- und weiterspinnen. Vom Recycling aufgestöberter Amateurfilme und dem High & Low des Early Cinema (Nico de Klerk zum Umgang mit dem orphan film), der oft vernachlässigten aber zentralen Rolle der Musik (darüber Burkhard Stangl als Composer/Performer), der Macht der Apparatur, der notwendigen sozialen Kontextualisierung der künstlerischen Arbeit, den Filmgrenzbereichen Museum/Archiv/Installation, und schließlich der Sozietät der Kinogänger handelt Gustav Deutsch.  Mehr als „nur“ von found footage. Sein Oeuvre wird also umrahmt und seziert, mal quer, mal längs. Ein paar Texte lesen sich wie impulsiv-pulsierende Kontemplationen (vermutlich wirkt da der Montagerhythmus der beschriebenen Filme nach), andere fokussieren präzise. Am Instruktivsten ist vielleicht Tom Gunnings trennscharfe Auseinandersetzung mit den Film ist.-Filmen. Hier wird dem steten Moment des Berstenden jener analytische Einhalt geboten, der – ähnlich wie die plötzliche Langsamkeit, die Zeitlupen, das Echo, jene andere Seite Deutschs – notwendig ist, dieses (im Sinn von Deleuze und Guattari) „kleine“ Medienimperium zu „zähmen“, diesen konkreten österreichischen Avantgarde-Filmplaneten zu umkreisen, diesem Filmkometen näher zu kommen. Gustav Deutsch ist. (In)Definitely.