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Viennale-Blog 29

Bluebird

| Anja-Lene Melchert |

Wenn Lachen in einem Film nur bei der Zeile „I call it bitch whiskey – my grandma loves it“ angebracht ist, kann man den Blick auf andere Facetten richten – und davon hat „Bluebird“ mehr als genug. Im ersten Langspielfilm von Lance Edmands erzählen intensive Gesichtsausdrücke, großartige Stimmungsbilder und nicht zuletzt die perfekt abgestimmten Dialoge die Geschichte einiger Menschenleben in einem verschneiten Dorf, die von einem unglücklichen Unfall erschüttert und von der darauffolgenden Schuldfrage untrennbar miteinander verbunden werden. Eine Busfahrerin vergisst ein kleines Kind im Bus, am nächsten Morgen fällt es unterkühlt ins Koma, und dass die Mutter währenddessen die Nacht ganz anders verbracht hatte, als sie sollte, trägt auch nicht zur friedlichen Lösung der Situation bei. Außerdem gibt es noch andere Mütter und Töchter, sowie Ehemänner/Väter, die wieder jeweils ihren Aspekt in das große Ganze einbringen. Eine gute Ausgangsposition für ein „schönes“ klärendes Ende – doch es kommt nicht so, wie man vielleicht glauben möchte.
Dass dieser Film mehr Fragen stellen als beantworten würde, war von Anfang an klar, und vielleicht war das auch nie seine Aufgabe: Anstöße zum Nachdenken gibt er auf jeden Fall.
Das sensible Thema der Schuld und Schuldzuweisung ohne auch nur einen Moment des Fremdschämens auf die Leinwand zu bringen, ist Edmands ohne Frage gelungen. Seine Figuren wirken ehrlich und echt, ohne dabei ein Reality-TV-Gefühl mit viel Geschrei und wenig Inhalt aufkommen zu lassen. Die Stimmungsbilder in den Innenräumen und die Landschaftsaufnahmen des verschneiten Dorfs in Maine (aus dem der Regisseur auch selbst stammt) unterstützen nicht nur die Handlung, nein, sie werden fast zu einer eigenen Kraft. Sehr ruhig und ohne sich aufzudrängen, nimmt der Film den Zuschauer mit in die Welt der Protagonisten – wer sich darauf einlässt, wird mit 91 Minuten stummer Faszination belohnt.