Anfangs werden dem Zuseher viele kurze Ausschnitte aus Nachrichtensendungen gezeigt, in allen dreht es sich um eine Umweltkatastrophe – ein unwahrscheinlich großes Fischsterben vor der Atlantikküste der USA. Dann werden sie von einer Skype Aufzeichnung einer Reporterin unterbrochen: Sie erzählt die Geschichte des 4. Juli 2009, an dem sie in der kleinen Hafenstadt Chesapeake Bay über die Feierlichkeiten an ebendiesem Feiertag berichten sollte. Die Stimmung ist gut, die Sonne strahlt, die Menschen freuen sich, sie leben den amerikanischen Traum.
Dann ein Schnitt zu einer Szene einige Wochen zuvor: Zwei Meeresbiologen, die entlang der Küste geforscht hatten, werden tot aus dem Meer gezogen. Die offizielle Todesursache: Haiattacke. Doch diese Bisse können nicht von Haien stammen. Binnen Minuten wird aus der sachlichen Dokumentation mit sonnigen Bildern ein Albtraum: Zurück bei der Feier; eine Frau fängt inmitten der Menschenmenge an zu schreien, ihr rinnt Blut über den gesamten Körper. Schnitt, einige hundert Meter weiter. Zwei Polizisten finden eine tote Frau in einem Vorgarten, der Verdacht geht in Richtung häusliche Gewalt. Das junge Mädchen, das seiner Freundin über Facetime von ihren seltsamen Symptomen berichtet. Der Arzt, dessen Wartezimmer mit jeder Minute voller wird. Seine verzweifelten Telefonate mit der Seuchenbehörde. Ein junges Paar und dessen Ende an einem verlassenen Strand. Weiter zurückreichende Forschungen der Meeresbiologen. Ein Umweltschützer zwischen Bergen von Hühnerexkrementen. Schreiende Menschen mit blutenden Ausschlägen und Beulen. Zerfressenes Fleisch. Angst. Immer mehr verschiedene Charaktere und Szenerien kommen hinzu, immer wieder durch den Skype-Anruf in der Jetztzeit unterbrochen. Sie alle ergeben ein schreckliches Bild, das erst stetig verwirrter und dann immer klarer wird: In Chesapeake Bay geschah viel, das nicht hätte geschehen dürfen, doch eine tödliche Seuche zahlt es allen heim – und der Horror nimmt kein Ende.
Durch ausschließlich mit Handy – beziehungsweise Billigdigitalkameras gefilmtem Material, sowie die verpixelten Skype-Anrufe und Nachrichtenberichte entsteht ein perfekter Found-Footage-Film, an dessen Ende man sich wohl nicht nur einmal die Frage stellt, ob davon nicht doch etwas echt war.
Wer bei seiner nächtlichen Laufrunde Angst vor schreienden, blutigen Fast-Leichen haben will, bei jedem Rascheln im Gebüsch einen Schock bekommt und sowieso nicht gern Fisch isst, hat mit The Bay von Barry Levinson den perfekten Film gefunden.
