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Filmkritik

Das merkwürdige Kätzchen

| Günter Pscheider |
Melancholische Experimentalkomödie über das Verhältnis zwischen Belebtem und Unbelebtem

Selten aber doch gibt es Filme, die sich einer profanen Beschreibung elegant entziehen. Der Debütfilm des in Berlin lebenden Schweizers Ramon Zürcher ist zweifellos eines der merkwürdigsten – im doppelten Wortsinn – Werke der letzten Jahre. Alles, was einen Film normalerweise definiert, kommt vor: Es gibt Schauspieler, die aber nichts darstellen, sondern hauptsächlich spielerisch ihren Körper zur Verfügung stellen, Dialoge, die aber kaum Inhalt transportieren, sondern eher als Geräuschkulisse funktionieren, und auch so etwas ähnliches wie eine Handlung, die den Alltag einer Patchworkfamilie in einer verschachtelten Berliner Wohnung zwischen Einkaufen, Kochen und Essen skizziert. Der Regisseur versetzt sich in die Lage eines neugierigen Außerirdischen, der die Menschen bei ihren banalen Verrichtungen beobachtet, aber zusätzlich noch wahrnimmt, wie alles mit allem verbunden ist, sodass auch Tieren oder Dingen wie einer Kaffeemaschine in der Inszenierung die gleiche Wichtigkeit eingeräumt wird wie den Menschen. Auch die Tonebene spielt eine entscheidende Rolle im Film, ständig pfeift oder rumpelt etwas, als ob ein Teekessel oder eine Waschmaschine auch Sehnsucht nach Zärtlichkeit oder Wertschätzung hätten und durch ihre Geräusche eindringlich darauf aufmerksam machen.

Der Film ist brillant choreografiert, funktioniert auf einer Ebene fast wie ein sehr statisches Tanzstück von Pina Bausch, auch das Thema der Verlorenheit der Menschen in der Welt kann man aus der Art, wie die Leute zwar ständig versuchen miteinander zu reden, aber im Endeffekt doch nur Monologe halten, herauslesen. Das ist einerseits traurig, aber durch die Selbstverständlichkeit dieses Alltags und durch die assoziative Montage, die eben ein Universum vorstellt, in dem niemand allein ist, weil alles in einem Kontinuum existiert, erreicht Ramon Zürcher einen interessanten Effekt: Man schmunzelt über die Sinnlosigkeit des Daseins, über die Abgründe der Entfremdung, über die Unmöglichkeit der Kommunikation in diesem warmen, existenzialistischen Film. Bei einer weniger ausgeklügelte Mise en Scène würde das repetitive Element der immer gleichen Tätigkeiten wohl bald einmal langweilig werden, weil zumindest bei den meisten Zuschauern die Abwesenheit einer konventionellen Dramaturgie nach maximal 20 Minuten eine gewisse Unruhe hervorruft. Wer sich jedoch mit der notwendigen Geduld auf diesen ganz speziellen Rhythmus des Films einlässt, kann durch die statische Kamera seinen Blick lange schweifen lassen und mit Hilfe von Assoziationen seinen ganz eigenen Film schaffen.