Momentaufnahmen einer jungen Generation
Ebensee scheint auf den ersten Blick eine jener typischen Gemeinden zu sein, wie man sie zuhauf in Österreich vorfindet. Das im idyllischen Salzkammergut liegende Städtchen mit seinen knapp 8000 Einwohnern könnte beinahe prototypisch für den ländlichen Raum stehen. Doch 2009 kam es zu einem unfassbaren Zwischenfall, der so gar nicht zum beschaulichen Bild passen wollte und dem Ort eine ungewollte überregionale Aufmerksamkeit verschaffte. Während einer Gedenkfeier auf dem Gelände des vormaligen Konzentrationslagers – Ebensee war zur Zeit des Nationalsozialismus eine Außenstelle des berüchtigten Lagers in Mauthausen – störten einige Jugendliche aus dem Ort die Veranstaltung, indem sie mit Softguns herumschossen und Nazi-Parolen grölten. Sebastian Brameshuber hat dies als Ausgangspunkt – jedoch nicht zum Zentrum – seiner Dokumentation genommen, um sich in Ebensee auf Spurensuche zu begeben. Ein Jahr lang begleitete er einige Jugendliche aus der Region, die an besagtem Vorfall jedoch gänzlich unbeteiligt waren. Brameshuber skizziert zunächst die für Heranwachsende typischen Sorgen wie Schwierigkeiten in der Schule, Auseinandersetzungen mit den Eltern, erste Erfahrungen in der Arbeitswelt – kurzum, die Suche nach einem Platz in der Welt mit allen damit verbundenen Irrwegen, Coming-of-Age eben. Eine Suche, die sich für die junge Generation von Ebensee – da gelingen Brameshuber durchaus stimmige Szenen – zwischen beschaulicher Dorfgemeinschaft, Tradition und ländlicher Tristesse abspielt.
Doch durch diese Alltagsnormalität bricht immer wieder jener unheilvolle Abschnitt der Zeitgeschichte, der eben auch Teil der Region ist, durch und hängt trotz aller Verdrängungsmechanismen wie eine dunkle Wolke über der Gemeinde. Die Auseinandersetzung bleibt generationsübergreifend zumeist bei pflichtschuldiger Betroffenheit samt dazugehörigen Worthülsen stecken, was vor allem ein großes Maß an Hilflosigkeit, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, verdeutlicht. Angesichts der Probleme, die die Generation der Eltern damit hat, verwundert es nicht, dass die juvenilen Protagonisten noch weniger mit dem Thema anfangen können – sofern es in ihrem Leben überhaupt eine Rolle spielt. Ganz will die Verknüpfung zwischen dem Porträt einer jungen Generation und den viel zitierten Schatten der Vergangenheit allerdings nicht gelingen, zu oft stehen sich diese Themenkomplexe isoliert gegenüber. Zudem hat Brameshuber zwar klugerweise seine Protagonisten nicht aus Randlagen der Gesellschaft rekrutiert, inwieweit sie jedoch tatsächlich die apostrophierte Mitte repräsentieren und damit exemplarisch für eine ganze Generation stehen können, diesen Nachweis bleibt Und in der Mitte, da sind wir ein wenig schuldig.