Kino ist eine Transportmaschine von Sehnsuchtsbildern. Nicht selten entsprechen die Orte des Kinos einer gelungenen, steingewordenen Übersetzung davon – sie sind Architektur gewordene Visionen für die Projektion von Bildern.
Kinoarchitekturen sind nicht nur identitätsstiftender Bestandteil urbaner Landschaften. Eine Stadt selbst kann zum Kino werden und wie eine Projektionsfläche funktionieren. Das trifft wohl auf keine Stadt besser zu als auf Paris. „Paris“ ist ein virtueller Ort, an dem französische Selbstbilder mit touristisch generierten Fremdbildern in eigenartigen Doppelprojektionen aneinandergeraten.
Vor wenigen Jahren lud die Pariser Stadtverwaltung zur Ausstellung „Paris vu par Hollywood“ ins Rathaus. Geboten wurde eine ikonografische Zusammenstellung von Paris als kinematografischer Erfindung Hollywoods.
Vorbei an Notre-Dame- und Quasimodo-Variationen, durch die Pariser Unterwelt mit den Gourmet-Ratten von Ratatouille, zurück ans Tageslicht mit Audrey Hepburn in Hut und Sonnenbrille, bis hin zu einem schnellen Tänzchen mit Fred Astaire auf die Höhen des Eiffelturmes. Ein besonderes Fetischobjekt, dieser Eiffelturm: In US-amerikanischen Lichtspiel-Apokalypsen ist gerade er stets ein beliebtes Einsturzmotiv. Wie auch immer: Einheimische und Touristen defilierten mit feuchten Augen durch die Schau.
Von Ernst Lubitsch, der rund zehn seiner amerikanischen Filme in Paris ansiedelte, stammt der Satz: „There is Paramount Paris and Metro Paris, and of course the real Paris.“
Fake-Paris und Real-Paris bilden eine wunderbare Symbiose. Einheimische inszenieren ihre Stadt wie das Freigehege eines Zoos, angepasst an die Erwartungshaltungen der einfallenden Touristenhorden. Man kennt dieses Phänomen aus Salzburg, wenn euphorisierte The Sound of Music-Touristen nach „The villa of Fraulein von Trapp“ fragen. Findige „locals“ wissen inzwischen auch hier, wie man Projektionen verkauft.
Dass sich hinter der Stadt-Leinwand, nicht nur von Paris, ganz
andere Realitäten auftun, will man für abendfüllende Augenblicke
immer wieder vergessen.