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Das Verschwinden der Eleanor Rigby / The Disappearance of Eleanor Rigby: Them

Das Verschwinden der Eleanor Rigby/ The Disappearance of Eleanor Rigby: Them

| Marietta Steinhart |

Melancholische Meditation über das Klaffen und Schließen einer Wunde

Eleanor Rigby (Jessica Chastain) und Conor Ludlow (James McAvoy) rollen liebestoll in einer Wiese inmitten einer Schar von Glühwürmchen umher. Sie möge sein Herz nicht brechen, beschwört er sie. In der nächsten Szene – sieben Jahre später – steigt sie von ihrem Fahrrad und springt von der Brooklyn Bridge in den Hudson River. Wo ging die Liebe hin? Regisseur und Drehbuchautor Ned Benson geht sowohl vorwärts wie auch rückwärts an dieses Ereignis heran und tanzt um ziemlich große Probleme. Sie zieht sich nach ihrem Selbstmordversuch zurück ins bourgeoise Nest ihrer Eltern (müsste man eigentlich einen eigenen Film widmen: Isabelle Huppert und William Hurt) und findet eine Mentorin in einer zynischen, aber warmherzigen Dozentin (ganz wunderbar: Viola Davis), während er versucht zu retten, was vielleicht schon zu sehr im Argen liegt. Zu gegebener Zeit erfahren wir den Grund für die Trennung, der – so soll an dieser Stelle behauptet, aber nicht verraten werden – mit jedem beliebigen Trauma auswechselbar ist.

Bensons hochkarätig besetztes Erstlingswerk ist an mancher Stelle allzu bemüht (Eleanor belegt u.a. einen Identitätstheorie-Kurs) und fühlt sich wie der typische Indie-Date-Film oder die nächste Hollywood-Schmonzette an, was zu verzeihen ist, weil man Jessica Chastain und James McAvoy so gerne zusieht. Es ist ein Film über die vermögende weiße Mittelschicht, die ihre Probleme in einer Weise verarbeitet, wie das nur Menschen mit dem geeigneten Einkommen können, aber es wirkt innerhalb dieser Wohlstandswirklichkeit authentisch und erkennbar. Das Besondere der Geschichte besteht darin, dass sie in drei verschiedenen Versionen existiert. Vor einem Jahr in Toronto uraufgeführt, wurde sie mit den Untertiteln „Him“ und „Her“ einmal aus der Perspektive von Conor und einmal aus jener von Eleanor konzipiert.

Weil das nicht besonders massentauglich ist, hat man den Film zu „Them“ meisterlich zusammengeschustert, und die Essenz bleibt. Die Kamera von Christopher Blauvelt (Meek’s Cutoff, Night Moves) lauert oft beobachtend in der Distanz und ist dann wieder schmerzlich nah am Gesicht. Das Projekt mag seiner dramaturgischen Originalität beraubt worden sein, aber nicht seiner niederschmetternden Intensität. „All the lonely people; where do they all come from?“, heißt es in dem Beatles-Song, nach dem die Protagonistin benannt ist. Er ertönt kein einziges Mal, und das muss er auch nicht. Die letzte Szene mit der eindringlichen Vertonung von Son Lux wird einen noch lange verfolgen.