Colin Firth unterwegs auf den Spuren der Versöhnung
„I am not a trainspotter. I am a railway enthusiast,” rechtfertigt sich Eric Lomax (Colin Firth) gegenüber seinem alten Kriegskameraden Finlay (Stellan Skarsgård). Aber das ist nur die halbe Wahrheit, denn die fast manische Begeisterung des gelernten Bahnsignaltechnikers für Züge und Zugverbindungen aller Art ist einem schwerwiegenden Erlebnis in seiner Vergangenheit geschuldet, der er auf diese Weise zu entfliehen sucht. Doch die brutalen Erinnerungen an seine Zeit in japanischer Kriegsgefangenschaft reißen Lomax nicht nur regelmäßig des Nachts aus dem Schlaf, sondern stellen bald auch die Beziehung zu seiner Ehefrau Patti (Nicole Kidman) auf eine harte Probe. Denn was Lomax ihr bisher verschwiegen hat: Als Gefangener war er am Bau der sogenannten „Death Railway“-Eisenbahnlinie zwischen Thailand und Burma beteiligt. Zusätzlich zu den enormen körperlichen Strapazen und Erniedrigungen im Zwangsarbeitslager wurde er von einem neurotischen Offizier namens Nagase (Ishida Tanroh) brutal gefoltert. Die unsäglichen Qualen trieben ihn schließlich an eine Schmerzgrenze, nach deren Überschreiten er ein für immer Gezeichneter zu sein glaubt.
The Railway Man ist nicht die erste Verfilmung der Geschichte des schottischen Ex-Kriegsgefangenen Eric Lomax, dessen Katharsis Colin Firth hier in gewohnt verschrobener Gentleman-Manier komplett mit Hornbrille und introvertiertem Charisma zum Besten gibt. Doch im Gegensatz zur TV-Produktion Enemy, My Friend? (1995), die das außergewöhnliche Treffen zwischen Lomax und seinem damaligen Peiniger Nagase 50 Jahre nach der Kapitulation Japans dokumentiert, ziehen die Drehbuchautoren der Kinoadaption diesmal gleich an allen Strängen gleichzeitig: sei es die späte, aber innige Liebe zwischen Lomax und Patti, sein jahrelanger Kampf gegen posttraumatische Störungen, die missliche Lage ausrangierter Kriegsveteranen, der Wunsch nach Vergeltung oder die leise Hoffnung auf Versöhnung. Getaucht in warme, kriegsdramenübliche Sepiatöne schlendert die Handlung zwischen Gegenwart und Vergangenheit dahin. Zwar lässt sich an den soliden schauspielerischen Leistungen von Firth und Kidman nicht mäkeln, und auch Jeremy Irvine gelingt es, sich in der Rolle des jungen Eric Lomax zu behaupten, doch leider scheint Jonathan Teplitzky seiner Starbesetzung selbst nicht zu trauen und setzt stattdessen auf unnötige Richtungswechsel und ein allzu besonnenes Tempo. Darüber hinaus nehmen die mitunter abgedroschen wirkenden Rückblenden dem Ganzen recht schnell den Wind aus den Segeln und drängen damit den dramatischen Kern der Geschichte aufs Abstellgleis.