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Filmkritik

Der letzte Wolf / Le dernier loup

| Ralph Umard |
Jagdszenen aus der nordchinesischen Provinz.

Die Dämonisierung von Wölfen als menschenfressende Ungeheuer hat wie schon im Märchen auch im Kino Tradition. In The Grey (2012) dezimiert ein von einem riesenhaften Isegrim angeführtes Rudel die Überlebenden eines Flugzeugabsturzes in Alaska. Weit realistischer ist die Darstellung von Steppenwölfen in dieser bildschön mit grandiosen Landschaftsaufnahmen in der Inneren Mongolei in Szene gesetzten Adaption eines autobiografischen Romans von Lü Jiamin. Der auf deutsch unter dem Titel „Der Zorn der Wölfe“ erschienene Bestseller ist in China das meistgelesene Buch seit der „Mao-Bibel“. Das ausgerechnet ein Franzose es verfilmt, mag damit zu tun haben, dass Jean-Jacques Annaud – dessen erotische Literaturverfilmung L’Amant (Der Liebhaber) vom Zensurbüro in China bis heute nicht freigegeben wurde – bereits bei L’ours (Der Bär) und Deux frères (Zwei Brüder) Fingerspitzengefühl im Umgang mit Raubtieren als Titelhelden bewiesen hat. Auch hier filmt die Kamera hin und wieder aus der Perspektive der Tiere, einige Jagdszenen mit Wölfen, Gazellen und Pferden sind regie- und filmtechnische Bravourleistungen.

1967, im zweiten Jahr der Kulturrevolution, werden zwei Studenten aus Beijing in die Steppe geschickt, wo sie den dort lebenden mongolischen Schafhirten chinesisch Lesen und Schreiben lehren sollen – mit dem Ziel, ihre traditionelle Lebens- und Denkweise in Sinne der kommunistischen Machthaber zu ändern; die Nomaden sollen sesshaft werden. Indessen gerät der Student Chen Zhen seinerseits in den Bann ihrer naturverbundenen Lebensweise, der alte Dorfvorsteher Bilig macht ihn vertraut mit dem Artverhalten der Wölfe und mongolischer Spiritualität. Als aus der Hauptstadt der Befehl kommt, die Wölfe auszurotten, rettet Chen Zhen einen Welpen und zieht ihn heimlich auf.

Der Terror der Kulturrevolution bleibt ausgeblendet, doch man sieht, wie rücksichtslos mit der Natur und ethnischen Minderheiten in China umgegangen wurde (und wird), wo sich angesichts massiver Umweltzerstörung und Luftverpestung allmählich auch bei hohen Funktionären ein ökologisches Problembewusstsein bildet. Die Darstellung der Ereignisse ist den Erfordernissen des Mainstream-Kinos entsprechend streckenweise recht emotionalisierend und melodramatisch, wobei der elegische Soundtrack von James Horner oft arg aufdringlich dröhnt. Vergleichbar mit den Indianern im Western werden die Wölfe als „Krieger“ (O-Ton Bilig) einer aussterbenden Rasse stilisiert.