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Filmkritik

Holz Erde Fleisch

| Michelle Koch |
Von abwesenden Vätern und abtrünnigen Söhnen – ein Bauernfilm

„Einen Bauern, hat mein Vater immer gesagt, kann man nur dann verstehen, wenn man einmal mit ihm im Wald war. Oder am Feld. Oder auf der Alm.“ In Holz Erde Fleisch begleitet Filmemacher und Landwirtssohn Sigmund Steiner einen Forstwirt, einen Kartoffelbauern und einen Schafzüchter bei ihrer Arbeit. In malerischen Landschaftsaufnahmen und ruhigen, langen Einstellungen, die die Protagonisten ausschließlich im Freien, in ihrer täglichen Umgebung beobachten, offenbart dieser schlichte, freimütig-intime Essay die brachiale Härte und sogleich die liebevolle Hingabe, die der Beruf in und mit der Natur einfordert. Hier wird der Zyklus von Werden und Vergehen, von Leben und Tod allgegenwärtig erfahrbar, gewohnte Zeitdimensionen weichen einer anderen Wahrnehmung von Dauer – bei der Saat und Ernte einer Kartoffel, beim Pflanzen und Fällen eines Baumes, beim Aufziehen und Schlachten eines Tieres.

Bereits der Prolog des Triptychons verrät, dass Steiners Rückkehr zu den bäuerlichen Wurzeln auch eine persönliche Suche nach dem Wesen des eigenen Vaters ist, dem der Familienbesitz einst wichtiger war als die Familie. Steiners Gespräche mit den drei väterlichen Stellvertreterfiguren und deren Familien kreisen um Traditionen, die Zukunft der Betriebe und um die von den Eltern an die Nachkommen herangetragenen Erwartungen, die mit den selbstgewählten Lebensentwürfen der Kinder kollidieren. Changierend zwischen kritischer Distanz und verständnisvoller Nähe, schreiben sich die problematischen Vater-Sohn-Beziehungen auch in die Bildkompositionen ein: Mal zeigt sich die Generationenkluft im räumlichen Abstand zwischen den Figuren, mal rückt die neugierig-insistierende Kamera nah an die wettergegerbten Gesichter der Männer heran, um hinter der robusten Fassade den empfindsamen Menschen zu entdecken. Holz Erde Fleisch ist Dokument – zeigt uns Bauern bei der Arbeit – und denkt jedes Bild zugleich metaphorisch – etwa wenn das Scheren eines Schafes auch das Vordringen in tiefere Schichten andeutet und im intimsten Moment des Films mündet: Erinnerungen des Schäfers an dessen Vater, an erlittene Kränkungen, entbehrte Zuneigung, aber auch an Situationen, in denen Liebe und Wissen vermittelt wurde.

Klar, unprätentiös und mit zärtlichem Interesse gelingt Holz Erde Fleisch das Unterfangen eines filmischen Paradoxons: das Unsichtbare sichtbar zu machen. „Vielleicht ist zwischen Filmarbeit und Holzarbeit gar kein so großer Unterschied. Man muss manchmal was rausschneiden, damit anderes Platz zum Wachsen hat.“, wie Siegmund Steiner anmerkt.