Kristen Stewart über ihre Arbeit an „Personal Shopper“, über das schnelle Verfassen von SMS und über ihre Vorliebe für Sneakers.
Täuscht der Eindruck, dass Sie in letzter Zeit dem Hype der „Twilight“-Filme zu entkommen versuchen, indem Sie vermehrt in US-Indie-Produktionen wie Kelly Reichardts „Certain Women“ und europäischen Autorenfilmen wie nun in „Personal Shopper“ mitspielen?
Das ist keine bewusste Entscheidung, und für mich fühlt es sich auch nicht so an, hier etwas völlig anderes zu machen. Das einzige Ziel, dass ich bei all meinen Filmen habe, ist Neues zu wagen. Und Olivier Assayas’ Film bot mir die nötigen Extreme, um an meine Grenzen zu gehen. Ich will so weit wie möglich die Kontrolle verlieren, mich nicht wiederholen und Dinge tun, die mir zunächst Angst machen.
Dies ist nach „Die Wolken von Sils Maria“ bereits die zweite Zusammenarbeit mit dem französischen Filmemacher. Wie sehen Sie die beiden Figuren, die beide persönliche Assistentinnen prominenter Frauen sind?
Damit hat es sich aber auch schon. Für mich sind die Unterschiede riesig. Die Figur in Sils Maria ist eine stabile Persönlichkeit, die mit ihrem Job und ihrem Leben zufrieden ist. Das Verhältnis zwischen Maureen und ihrer Chefin Kyra in Personal Shopper hingegen ist sehr distanziert, sie probiert trotz Verbots deren Designerkleider an und schlüpft so in Kyras Haut, um eine Weile ihrer eigenen Existenz zu entfliehen. Maureen ist in einem Trauma aus ihrer Vergangenheit gefangen, das es ihr nicht erlaubt, im Jetzt zu leben. Dieses Gefühl, etwas hilflos ausgesetzt zu sein, kenne ich sehr gut. Ich reagiere sehr physisch auf Ängste.
Welche Ängste sind das?
Ganz allgemein Sorgen oder Unsicherheiten, Fragen, auf die ich keine Antwort habe. Das ist ein Gedankenprozess wie ein Teufelskreis, aus dem es für mich sehr schwer ist, wieder herauszukommen. Es kann keine Lösung sein, sich dauernd abzulenken. Ich muss akzeptieren, dass ich etwas nicht weiß und damit Frieden schließen. Und ich glaube an eine Energie oder menschliche Verbindung, die mir Kraft gibt.
Sind Sie religiös?
Ich würde es eher spirituell nennen. Ich will mehr über mich und meine Mitmenschen lernen, ich bin auf der Suche nach Dingen, die mir Zuversicht geben und das Gefühl, nicht komplett allein zu sein. Ich glaube fest an eine Art Seelenkraft, die wir als Menschen nicht lernen müssen, sondern besitzen.
Maureen versucht als Medium mit ihrem toten Bruder Kontakt aufzunehmen. Glauben Sie, dass es Menschen gibt, die diese Gabe haben? Oder ist es eine Art, mit einem persönlichen Trauma umzugehen?
Ich weiß es nicht, aber ich denke viel darüber nach. In meinem Leben gab es immer wieder Phasen, in denen ich alles in Frage gestellt habe. Aber das ist gefährlich und kann einen daran hindern, ein zufriedenes und funktionierendes Leben zu führen.
Wie hat Ihnen Olivier Assayas den Film präsentiert? Als Geistergeschichte, Psychothriller, Horrorfilm?
Er hat gar nichts dazu gesagt! Und mir kam es beim Lesen des Drehbuchs auch gar nicht wie ein Horrorfilm vor. Sie stellt sich ja sehr mutig den Geistern ihrer Vergangenheit, für mich hatte das mehr mit Neugierde als mit Angst zu tun. Eine traurige Geschichte über Einsamkeit und Trauer und wie daraus etwas Lebensbejahendes entsteht. Erst als ich den fertigen Film gesehen habe, wurde mir klar, wie furchteinflößend er auch ist.
Sehr beeindruckend, wie Sie im Film in Windeseile Textnachrichten in Ihr Smartphone tippen. Waren Sie darin geübt, oder mussten Sie das trainieren?
Ich bin vor allem Perfektionistin! Als wir diese Szenen drehten, spürte ich einen großen Druck. Ich wollte das so kurz wie möglich halten, damit es nicht ermüdend wird und die Leute das Interesse verlieren. Und wissen Sie was? Autokorrektur ist dabei sehr hilfreich. Ich könnte blind texten! Mich macht es selbst wahnsinnig, wenn es zu lange dauert. Ich sehe diese drei Punkte, die signalisieren, dass der andere gerade tippt, und dann passiert: nichts! Oder nur ein dürres: „OK“. Und dafür hast du jetzt eine halbe Ewigkeit gebraucht, wirklich?
Es gab also kein SMS-Double?
Was glauben Sie denn?! Und ich finde, man sieht meinen Fingern die Anspannung an. Das bin ich, wenn ich spiele, werde ich ja keine andere, ich bin nicht schizophren. Das gilt für alle Rollen: Ich verstecke mich nicht, bringe mich voll ein. Es mag wie ein Detail erscheinen, aber es war mir wichtig, dass diese Großaufnahmen möglichst authentisch und interaktiv wirken.
Wie war die Arbeit mit Lars Eidinger, der den Liebhaber Ihrer Klientin spielt?
Es war unglaublich! Er kommt ja vom Theater, ich habe null Bühnenerfahrung, umso beeindruckender fand ich seine Bandbreite und die Art, wie er sein Handwerk beherrscht. Er weiß in jeder Sekunde, wie er sich selbst einsetzt, ohne dem Theaterklischee zu entsprechen, übervorbereitet zu sein. Er performt nicht, sondern sucht sich seinen Weg in einen Moment, ist völlig präsent. Und er wiederholt sich nie, ich liebe es, so zu arbeiten. Wir hatten zwar nur eine längere Szene zusammen, aber dafür einen ganzen Tag Zeit, und es war toll, alles Mögliche auszuprobieren. Wir haben das sicher hundertmal gespielt an diesem Drehtag. Und jedes Mal dachte ich am Ende: Wow, das habe ich so nicht erwartet, cool!
Der Film handelt auch von Prominenz, Mode und sozialen Medien. Sie sind sehr jung extrem berühmt geworden. Reflektiert der Film Ihre Erfahrungen?
Ich habe gelernt, damit umzugehen. Im Moment bin ich in unserem Gespräch so offen und ehrlich wie möglich, und zugleich versuche ich natürlich, Sie zu manipulieren, damit Sie einen bestimmten Eindruck von mir bekommen. Mit den neuen Technologien und sozialen Medien ist es soviel einfacher, sich zu verstecken und ein bestimmtes Image zu verkaufen. Zugleich sind wir uns dieser Möglichkeiten der Manipulation bewusst, wir sind dem nicht hilflos ausgeliefert. Und warum sollte ich ein Problem mit Mode haben? Es ist nichts falsch daran, materielle Schönheit und Ästhetik wertzuschätzen. Viele Designer sind Künstler. Wenn es allerdings nur darum geht, auf Modeschauen zu gehen, um sich selbst zu vermarkten oder berühmt zu werden, ist das nur selbstsüchtig und im Gegenteil ziemlich hässlich.
Haben Sie auch Stylisten und Personal Shopper, um auf dem Roten Teppich eine gute Figur abzugeben?
Klar. Mit meinem Beruf habe ich überhaupt nicht die Zeit zum Shoppen. Ich habe ein sehr enges Vertrauensverhältnis mit meiner Stylistin, aber ich bin weit davon entfernt, von jemandem eingekleidet zu werden. Sie kennt mich seit einer Ewigkeit, ich arbeite mit ihr seit meinem 13. Lebensjahr, und sie weiß, wie sie meine Persönlichkeit betont, statt mich in etwas zu verwandeln, das ich nicht bin. Ich entscheide, was ich trage, aber ich habe Unterstützung beim Finden der Stücke, die zu mir passen. Aber mich fasziniert Mode, ich liebe schöne Kleidung, ich fühle mich davon angezogen wie die Motte vom Licht. Es ist rein animalistisch, es geht mir nicht um Aufmerksamkeit. Ich bin zum Beispiel besessen von Sneakers, ich besitze Hunderte Paare. Aber die meisten Designerstücke werden uns ja leider nur für Auftritte geliehen, ich besitze gar nicht so viel.
Sie spielen auch in Ang Lees neuem Film „Die irre Heldentour des Billy Lynn“, der ja nun hierzulande leider nicht starten wird. Darin geht es um einen US-Soldaten, der für sein Handeln im Irak-Krieg ungewollt als Held gefeiert wird.
Ich spiele nur eine kleine Rolle, drei oder vier Szenen. Als Billys ältere Schwester bin ich die liberale Stimme des Films, ich versuche ihn zu überzeugen, nicht wieder zur Armee zurückzukehren. Es war ziemlich nervenaufreibend, weil ich nicht die Beste darin bin, auf den Punkt Emotionen hervorzurufen, und hier blieben mir nur ein paar Szenen dafür. Zum Glück ist Ang Lee ein so lieber, in sich ruhender Mensch, dass es mir dann doch erstaunlich leicht fiel.