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Filmkritik

Zu Guter Letzt / The Last Word

| Michael Ranze |
Alter schützt vor Torheit nicht: Shirley MacLaine als Misanthropin, die auf einem anständigen Nachruf besteht und Schallplatten auflegt

Was für eine Karriere! 82 Jahre ist Shirley MacLaine alt, seit 1955, also seit über 60 Jahren, macht sie Filme. Unvergessen ihre Rollen in Hitchcocks The Trouble with Harry, vor allem aber Minnellis Some Came Running, Wilders The Apartment und Irma La Douce nicht zu vergessen. Später dann, 1983, Terms of Endearment oder 1991 Postcards from the Edge. Es dürfte nicht viele Schauspielerinnen geben, die in Hollywood so lange präsent und erfolgreich waren. Und nun macht

Shirley MacLaine etwas sehr Mutiges und Anspielungsreiches: Sie spielt eine einsame, alte Frau, die sich angesichts des Todes noch einmal dem Leben zuwendet. Und das geht so: Harriet Lauler ist ein Stinkstiefel, wie er im Buche steht. Früher einmal war sie eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Daraus leitet sie den Anspruch auf Arroganz und Bösartigkeit gegenüber anderen ab. Immer öfter liest sie in den Tageszeitungen die Nachrufe – und ist über die ultimativen Lobhudeleien auf die Verblichenen entsetzt. Ihr Nachruf soll „stimmen“. Und darum beauftragt sie die Journalistin Anne (Amanda Seyfried), noch zu Harriets Lebzeiten eine respektvolle, angemessene Würdigung zu verfassen, Gesprächspartner für die Recherche gäbe es zuhauf. Da gibt es nur ein Problem: Niemand will ein gutes Wort über Harriet verlieren. Die kratzbürstige alte Dame muss sich notgedrungen ihrer Vergangenheit stellen, und dazu gehört auch eine entfremdete Tochter.

Das ist natürlich eine Bombenrolle für die MacLaine. Mit Sarkasmus, Besserwisserei und Überheblichkeit quält sie ihre Mitmenschen, dass es eine Freude ist. Doch man ahnt es schon: Im Laufe des Films schälen sich allmählich ihre gute Seiten heraus, plötzlich nimmt sie ihr Leben wieder in die Hand, gemeinsam mit anderen Frauen für andere Frauen – ein Hauch von Feminismus durchweht den Film. Mit ihren alten R&B-Platten versucht sie sich als DJane bei einem örtlichen Radiosender und nimmt als Mentorin ein schwarzes Mädchen unter ihre Fittiche. Zu versöhnlich, zu schematisch spult Regisseur Mark Pellington diese Wandlung um 180 Grad ab. Irgendwie hatte Shirley MacLaine als „dirty old woman“ zu Beginn doch wesentlich mehr Reibungsfläche und Unterhaltungswert. Doch weil der Film eine so schöne Hommage an die „Kinks“ enthält – „The most underrated group of alle time!“ ist sich hier jeder einig – will man dem Film nicht weiter böse sein. Und einen guten Nachruf – den hat Shirley MacLaine zu Lebzeiten zweifelsohne verdient.