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Secret Cinema

Das beinahe unsichtbare Kino

| Carlo Hoffmann :: Oliver Stangl |
Das Kino-Live-Event „Secret Cinema“ bietet einer verschworenen Gemeinschaft von Filmliebhabern ganz besondere Abende zwischen Klassikersichtung und Rollenspiel. Ein Einblick in eine fast geheime Veranstaltungsreihe.

Dass dem Kino zu seinen Anfangszeiten der Stellenwert von Kunst verwehrt wurde, lag nicht zuletzt an seiner ebenso sensationalistischen wie profitablen Auswertung als Jahrmarktsevent. Vielleicht deshalb bemüht sich Secret Cinema um Geheimhaltung bis zur fast letzten Minute. Außerdem macht Geheimhaltung ja erst recht neugierig und vermittelt zudem Exklusivität. Hinter dem Event steht jedenfalls die von London aus operierende Firma Secret Group Limited, die sich auf Kinoveranstaltungen der Extraklasse spezialisiert hat. Erste Informationen über die nächste Show – beispielsweise welcher Film gezeigt wird – werden über Facebook bekanntgegeben, weitere Informationen erhält man aber erst, wenn man sich hierfür anmeldet. Sehr spät werden der genaue Zeitpunkt und der Ort der Veranstaltung genannt, danach erhält man auf einer geheimen Website alle notwendigen Informationen.

Zu sehen gibt es Klassiker, Kultfilme oder Blockbuster wie Stanley Kubricks Kalte-Kriegs-Satire Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb (1964), Irvin Kershners Weltraumspektakel The Empire Strikes Back (1977) oder Robert Zemeckis’ Zeitreisekomödie Back to the Future (1985).

Mit einfach nur Hingehen ist es aber nicht getan: Ticket-Käufer müssen sich nämlich dem Filmthema entsprechend kleiden (was Filme wie Der Untergang wohl eher nicht in Frage kommen lässt). Die Vorführungen finden auch nicht in klassischen Filmtheatern statt, sondern an Orten, deren Atmosphäre den Filmen entspricht. So zeigte man etwa Ridley Scotts Science-Fiction-Meilenstein Blade Runner auf einem Londoner Industriegelände, den hochkomischen Marx-Brothers-Klassiker A Night at the Theatre im wunderschönen Theater Hackney Empire, David Leans gewaltiges Wüstenepos Lawrence of Arabia im Erholungspark Alexandra Palace (inklusive Kamelen) oder Terry Gilliams satirische Dystopie Brazil in einem verlassenen Bürogebäude. Aber auch U-Bahn-Schächte, öffentliche Plätze oder Schulgebäude wurden bereits mittels aufwändiger Requisiten speziell auf das Filmthema hin ausgestattet. In dieser ausgebauten „Film-Welt“ wird nicht nur der Film auf großer Leinwand oder auf Monitoren gezeigt, die Zuschauer werden auch in Rollenspiele und Handlungsabläufe eingebunden, die vor Ort von Live-Darstellern inszeniert werden. Der Aspekt des kollektiven Sehens, der ja immer wieder als eine der Stärken beziehungsweise als eines der Charakteristika des Mediums genannt wird, kommt hier also definitiv nicht zu kurz. Und Menschen, die Spektakeln prinzipiell kritisch gegenüberstehen, könnte man die Skepsis vielleicht mit dem Hinweis vertreiben, dass man sich bei den Secret-Cinema-Veranstaltungen immerhin unter gleichgesinnten Filmbesessenen befindet. Je nach Publikumsinteresse und entsprechend dem Aufwand der Show wird ein Event übrigens bis zu hundert Mal wiederholt.

Sehen Sie auf den nächsten Seiten fotografische Impressionen, die das Geheimnis um Secret Cinema zumindest ein Stück weit lüften.