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Werner Herzog – Ekstatische Wahrheit. Ein Dossier

Die Suche nach dem Unfilmbaren

| Andreas Ungerböck :: Jörg Schiffauer |
Peter Zeitlinger, Werner Herzogs bevorzugter Director of Photography, im Gespräch über die Herausforderungen und Besonderheiten ihrer Zusammenarbeit.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten erweist sich die Zusammenarbeit zwischen Werner Herzog und Kameramann Peter Zeitlinger als eine der produktivsten und kreativsten Verbindungen des Weltkinos. Zeitlinger wurde 1960 in Prag geboren, nach dem Einmarsch der Sowjetunion im Zuge des Prager Frühlings verließen er und seine Mutter die Tschechoslowakei und fanden in Österreich eine neue Heimat.

Zeitlinger studierte Kamera an der Filmakademie in Wien, zu den Lehrern, die einen starken Einfluss auf ihn ausübten, zählten die Experimentalisten Peter Kubelka und Michael Snow. Bereits 1987 fungierte Zeitlinger als Kameramann in dem von Götz Spielmann inszenierten Akademie-Film Vergiss Sneider!, die weitere Kollaboration mit Spielmann umfasst Filme wie Erwin und Julia, Dieses naive Verlangen und Der Nachbar. Ebenso zeichnete Zeitlinger für die Kamera bei fünf Filmen von Ulrich Seidl verantwortlich: Good News, Mit Verlust ist zu rechnen, Die letzten Männer, Der Busenfreund und Tierische Liebe. Neben seinen zahlreichen weiteren Film- und Fernseharbeiten in der ganzen Welt – darunter Red Army (2014), die mehrfach ausgezeichnete Dokumentation über die legendäre sowjetische Eishockey-Nationalmannschaft – unterrichtet Peter Zeitlinger auch an Hochschule für Fernsehen und Film München. 1995 begann seine höchst erfolgreiche Partnerschaft mit Werner Herzog, die mittlerweile zahlreiche Spiel- und Dokumentarfilme umfasst, darunter etwa Mein liebster Feind, Grizzly Man, Rescue Dawn, Encounters at the End of the World, The Bad Lieutenant: Port of Call – New Orleans, My Son, My Son, What Have Ye Done, Cave of Forgotten Dreams, Into the Abyss, Queen of the Desert und zuletzt Salt and Fire sowie Into the Inferno.

 

Wann, wie und wo haben Sie denn Werner Herzog kennen gelernt?

Das war bei einem der ersten Ulrich-Seidl-Filme. Da wollte die österreichische Filmförderung in der Mitte des Films das Geld streichen. Werner Herzog hat zu der Zeit in Wien gelebt. Ulrich hat ihn kontaktiert und ihm den Film gezeigt, und Werner war so begeistert, dass er im „Standard“ oder in einer anderen wichtigen Zeitung über die Qualität des Films geschrieben – mit einer kleinen Notiz am Ende: „Die größte Entdeckung bei diesem Film ist jedoch der Kameramann.“ Ich habe ihn dann selbst kontaktiert, um zu fragen, ob er das auch wirklich ernst meint, was er bejaht hat, er hat aber damals gerade keinen Film gedreht. Nach drei Jahren hat er mich dann schließlich angerufen und seither haben wir dann jeden Film miteinander gedreht. Er war der Regisseur, der mich bei jedem Projekt durchgesetzt hat. Die meisten anderen sind umgefallen, wenn die Produktion gemeint hat, sie sollen einen nehmen, der angepasster oder billiger als ich ist. Er hat immer gemeint, er macht es nicht, wenn ich nicht dabei bin. So habe ich an jedem seiner Filme seit 1995 mit ihm gearbeitet.

Der erste gemeinsame Film war „Tod für fünf Stimmen“.

Ja, das war der erste kommerzielle Film. Wir haben davor einen kurzen Film zu „100 Jahre Kino“ gemacht. Damals hat jeder Regisseur etwas zu diesem Thema produziert, und mit unserem Film gab es Zoff an der Filmakademie. Werner hat immer Zoff in Österreich gehabt, weil er halt auch so unkonventionell ist, die Österreicher haben es lieber konventionell.

Verfolgen Sie den aktuellen österreichischen Film?

Eigentlich kaum. Da, wo ich bin, sehe ich die nicht – ich lebe in Italien, bin immer wieder an der Uni in München, aber beim Drehen bin ich natürlich immer irgendwo anders. Man sieht die Filme ja eigentlich nur in Österreich und auf Festivals, ich sehe nicht fern, und auf Netflix gibt es nur ganz wenige. Ich hätte fast mit Josef Hader Wilde Maus gedreht, das hat aber dann leider nicht geklappt. In dem Zusammenhang habe ich mir angeschaut, in welchen Filmen er schon gespielt hat. Wenn ich bei Preisverleihungen Juror bin, dann sehe ich eventuell einige Filme, beispielsweise habe ich Das finstere Tal von Andreas Prochaska gesehen.

War die erste Zusammenarbeit mit Herzog schwierig, oder haben Sie gleich gewusst, dass es funktionieren wird?

Es lief eigentlich recht schnell sehr gut. Er hat mir auch mehr Freiheiten gelassen als andere Regisseure zuvor und hat sehr auf meine Meinung zu ästhetischen Fragen gehört. Ich konnte auch gut mit ihm. Werner ist zwar sehr autoritär in dem, was er verfolgt, aber komischerweise nicht als Mensch. Er hat so eine natürliche Autorität. Es war nach dem ersten Film ganz klar, dass wir weiterhin zusammenarbeiten werden. Er hält mich auch heute ständig auf dem Laufenden, was er vorhat. Er trägt ja immer fünf, sechs Projekte parallel mit sich herum, und da erzählt er mir immer, woran er arbeitet.

Was sind für den Kameramann von Werner Herzog die größten Herausforderungen bei der Arbeit, sowohl technisch als auch zwischenmenschlich?

Die größte, aber auch spannendste Herausforderung ist, dass Werner eigentlich immer etwas sucht, das man nicht filmen kann. Er sucht immer das Unfilmbare, aber das ist ja auch das Interessante, denn das, was leicht zu finden ist, kann ja jeder filmen. Das beginnt beim Inhaltlichen, weil er oft so eine abstrakte Idee hat. Er hat beispielsweise gesagt: „Wir fahren in die Antarktis, aber wir werden mit Sicherheit keine Eisberge und Pinguine filmen.“ Keiner wusste, was wir dort vorfinden, weil wir nicht vorab hinfahren konnten. Einen Menschen für einen einzigen Tag dort zu erhalten, kostet zehntausend Dollar, das zahlt die National Science Foundation. Da kann man es sich nicht leisten, vorab auf Recherche hinzufahren. Werner sagte nur: „Nimm halt kälteresistentes Equipment mit, aber nur wenig, denn wir müssen das zu zweit tragen“. Das waren meine Voraussetzungen. Ich wusste, da gibt es eine US-Basis, und es arbeiten Wissenschaftler vor Ort, aber was mich genau erwartet, wusste ich nicht. Also bin ich dorthin gefahren, mit einer hochmodernen Digitalkamera von Sony, die nur ein bewegtes Teil hatte, damit nichts einfrieren kann und auf Blu-ray aufgezeichnet hat. Dann kommt man dort an, die National Science Foundation versorgt einen mit einem Überlebenstraining, das eine Woche lang dauert. Dabei bekommt man auch die geeigneten HiTech-Klamotten, man darf gar keine private Kleidung mitnehmen, sondern die wird von denen gestellt. Werner interessieren abstrakte Dinge oder solche, die nicht vordergründig cineastisch sind. Das beinhaltet eben auch, dass man in eine Umwelt kommt, in der man friert oder wo man sich unter der Erde befindet. Mal sitzt man im Krater eines Vulkans, mal im tiefen Dschungel. Er sucht Gegenden und Dinge, auf die die Leute nicht so schnell kommen, und dort eine Idee hinter dem vordergründig Spektakulären. Man muss über das Inhaltliche auch sprechen können, etwa bei den Filmen über die zum Tode Verurteilten, On Death Row und Into the Abyss. Da hat man als Kameramann rein technisch nicht sehr große Entfaltungsmöglichkeiten. Man kann aber trotzdem etwas Besonderes aus den Bildern machen. Es ist die Herausforderung, dass man möglichst unaufwändig und nicht intrusiv arbeitet, damit man die Leute nicht mit dem Equipment und dem Auftreten verschreckt. In Nordkorea mussten wir zum Teil überhaupt heimlich filmen. Ich hatte eine Fotokamera zur Ablenkung und eine Filmkamera in der Tasche, die verborgen war. Mit der habe ich gefilmt und gleichzeitig woanders hin fotografiert. Die Kreativität kennt kein Ende. Man bekommt immer neue Herausforderungen, denen man sich stellen muss. Das kann man nicht in einem Lehrbuch nachlesen, man muss spontan reagieren. Er boykottiert auch alles, was man zu gut vorbereitet, weil er nicht möchte, dass die Dinge tot sind. Er will die Dinge immer neu haben und wirft oft Vieles im letzten Moment noch um. Man muss spontan bleiben. Das hält einen sehr frisch. Er ist ein sehr junger Regisseur. Er ist mit seinen 75 Jahren einer der jüngsten Regisseure, die ich kenne.

Woher nimmt er diese Energie? Was treibt ihn so an?

Die Neugierde ist wahrscheinlich der Hauptmotor bei ihm. Er will in neue Dinge hineintauchen und sie auf eine Weise sehen, wie es vorher noch niemand getan hat. Das ist, glaube ich, der Motor, der ihn jung hält.

Sind Herzogs Anforderungen an die Kamera bei Dokumentarfilmen andere als bei seinen Spielfilmen?

Er liest viel über jedes Thema, aber wenn man dann an die Arbeit geht, ist er dennoch offen. Das ist das Besondere, dass er ohne Vorurteile an die Dinge herangeht. Er geht mit offenem Herzen ins Geschehen und hat nie Angst vor dem, was er tut. Dadurch ist er auch immer offen und spontan. Ich habe diese Art der Arbeit sehr gerne, bei der man eine virtuose Fertigkeit benötigt. Ich mag es nicht, wenn etwas vollkommen durchgeplant ist. Dieser Kick, dass immer irgendetwas schiefgehen könnte, hält mich auch aktiv. Ich habe ja am Beginn auch viele Serien und Fernsehfilme gedreht, und das war furchtbar. Da bin ich eingeschlafen bei der Arbeit, denn das hat mich nicht richtig gefordert. Ich arbeite ja auch heute noch hie und da für das Fernsehen, aber da versucht man dann auch immer, irgendeinen Kick zu haben, damit man am Leben bleibt. Sei es eine ästhetische oder eine sportliche Herausforderung. Ob es eine Umgebung ist, in der man schwer filmen kann, wo man Spielszenen in eine echte Umgebung einbindet. Das mag ich sehr gerne, da man die Schauspieler gut vorbereiten und genau arbeiten muss. Das ist das, was mir vorschwebt, und das gefällt Werner, glaube ich, auch. Deswegen arbeitet er auch mit keinem anderen, obwohl die Leute Schlange stehen, um mit ihm zu drehen. Er hat auch außer mir als Kameramann und meiner Frau als Teammitglied immer wieder seine Crew getauscht. Es wäre ihm sonst zu langweilig geworden, und er braucht auch immer wieder neue Reibungsflächen. Das hält ihn kreativ.

Das heißt, die außergewöhnlichen Drehbedingungen, für die Herzogs Filme ja berüchtigt sind, sehen Sie eher als Herausforderung denn als Hindernis?

Er arbeitet ja beim Spielfilm auch nicht wesentlich anders als beim Dokumentarfilm. Der einzige Unterschied ist, dass es beim Spielfilm Schauspieler, Ausstattung und ein Set gibt. Beim Spielfilm stellen wir, das Team und er, vorab eine Situation, eine Szenerie her, es gibt aber keine Shotlist, in der drinnensteht, was wir wann und wie drehen. Es wird einfach ein Geschehen inszeniert, und dann komme ich mit der Kamera hin und schneide wie mit einem Seziermesser die richtigen Teile heraus. Vorher zeigt man den Schauspielern auch, dass es nicht gefährlich ist. Er klettert dann auch mal auf einen Berg hinauf, läuft über eine Hängebrücke oder schwimmt durch einen Fluss voller Piranhas durch. Er macht das alles, bevor er die Schauspieler selbst hinschickt. Das lieben die Schauspieler auch, sie sind dann weniger Schauspieler, sondern mehr Menschen, weil sie auch nicht mit einem Regisseur im herkömmlichen Sinne zusammenarbeiten, sondern mit einem, mit dem man auf ein großes Abenteuer geht. Er mag auch keine Dispos und Drehpläne, und es wird auch immer alles gleich umgeschmissen, wenn einer versucht, das Ganze in eine bürokratische Form zu bringen. Das ist auch der Grund, warum dann so lebendige Sachen zustande kommen.

Ist das auch der Grund, warum sich Schauspieler so darum reißen, mit ihm zu arbeiten?

Ja, gerade in Hollywood wollen viele mit ihm arbeiten, und er lehnt auch viele ab. Ich kann mich erinnern, als Richard Gere gemeint hat, er würde gerne mit ihm drehen und Werner ihm ins Gesicht gesagt hat, dass er aber nicht mit ihm arbeiten möchte. Als der Manager von Johnny Depp hier war mit einem tollen Drehbuch über Buster Keaton, stand ich auch daneben. Werner hat gesagt, dass ihn das nicht interessiert, weil sich heute die Jugend für Buster Keaton nicht interessiert. Da ist er dann konsequent. Bei Nicolas Cage gab es auch ein Drehbuch, das ursprünglich für das Fernsehen gedacht war. Werner hat es dann genommen und umgearbeitet und ein paar mystische Dinge und Halluzinationen usw. eingebaut, und Cage hat in Bad Lieutenant eine Performance geliefert, wie man sie von ihm seit Leaving Las Vegas nicht mehr gesehen hat. Da hat es funktioniert, da ist es gut gegangen. Manchmal kommen auch Schauspieler und bieten Geld, damit er mit ihnen einen Film macht. Wenn das Thema dann interessant ist, dann macht er es, aber meistens lehnt er es ab. Unser amerikanischer Agent sagt immer: „Kannst du nicht mit ihm reden, dass er einen Horrorfilm annimmt.“ Seit Nosferatu denken alle, dass er ist ein Horrorfilm-Spezialist ist, aber das lehnt er immer ab. Das interessiert ihn nicht.

Herausforderung schön und gut, aber gab es auch eine Situation, bei der es wirklich gefährlich war?

Na ja, gefährlich für ihn. Bei diesem Überlebenstraining in der Antarktis mussten wir auch Skidoo fahren und haben ein Training gemacht, wo man am Hang umdrehen sollte. Damit man nicht umkippt, muss man eine Kurve mit Schwung machen. Er hat es aber übertrieben, hat zu viel Gas gegeben und ist auf die andere Seite umgekippt. Das war, bevor die Dreharbeiten eigentlich begonnen haben, wir sollten zwei Monate in der Antarktis bleiben. Das geschah in der ersten Woche, und der Skidoo mit 300 Kilo ist über ihn drüber gerollt. Ich dachte nur: „Scheiße, da ist jetzt wirklich was passiert“. Ich schaue den Berg hoch, und er schüttelt sich ab und steht wieder auf. Der Skidoo ist heruntergerollt, und wir alle sind gerade noch zur Seite gesprungen. Er ist dann zu uns heruntergekommen und hat uns seinen Bauch gezeigt, auf dem er wahnsinnige Schürfwunden hatte. Wir waren weit vom Lager entfernt, also haben wir dort angerufen und gesagt, dass sie einen Hubschrauber schicken müssen, da wir einen Verletzten haben. Es war aber so, dass das Lager ausgerechnet an diesem Tag eine Emergency-Übung gehabt hat, und die dachten, der Hilferuf sei nicht echt. Es kam also keiner, weil die sich schon mit den Feuerwehrleuten besoffen haben, und wir mussten dann Werner auf so einen Rettungsschlitten binden und brachten ihn ins Lager. Dort haben sie ihn dann aufgepäppelt mit irgendwelchen amerikanischen Medikamenten, und am nächsten Tag haben wir wieder das Training fortgesetzt. Eine Woche später haben wir gedreht. Eine andere gefährliche Situation gab es bei Rescue Dawn, den wir mit Christian Bale gedreht haben, der ja sonst eher in kontrollierten Verhältnissen arbeitet – er war ganz begeistert von Werner und der Idee hinter dem Drehbuch. Er und die anderen Schauspieler haben auch alles tatsächlich gemacht. Die haben wirklich unter dem Masken-Wohnwagen im Dschungel geschlafen, da ist keiner ins Hotel gegangen, damit sie wirklich in der Rolle bleiben. Christian Bale hat also alles mitgemacht und musste drei Mal über so eine Hängebrücke laufen, die wirklich gefährlich war. Wir haben damals nur mit einer Kamera gedreht, und als ich dann gesagt habe: „Ich hätte gerne noch eine Totale. Der müsste noch einmal da drüber laufen“, da hat er zu toben angefangen. Werner ist dann zu ihm hin, er hat sich beruhigt, der Werner ist mit ihm noch einmal über die Brücke gerannt, und wir konnten die Aufnahme noch einmal machen. Das war eine echte Brücke, und der Schauspieler hatte kein Sicherheits-Seil umgebunden. Solche Aufnahmen haben wir im Dschungel öfter gemacht. Das würde beim amerikanisch-europäischen Arbeits- und Sicherheitsrecht nicht durchgehen. Ich hatte auch jetzt unlängst auf der Filmhochschule einen Fall, da kamen die Studenten mit Flip-Flops ins Studio, und der Studioleiter hat sie rausgeschmissen. Er berief sich auf Sicherheitsvorschriften. Dann hab ich gesagt, dass ich ständig mit einem Regisseur arbeite, der im Dschungel barfuß herumrennt. Ich hatte überhaupt nicht am Schirm, dass man in ein normales Studio nicht mit Flip-Flops hinein darf, noch dazu, wenn man eine theoretische Vorlesung drinnen macht. Da ist mir erst bewusst geworden, dass im echten Leben die Sicherheit automatisch weniger beachtet wird, das ist eben mehr der Überlebensinstinkt, der einen am Leben hält, als irgendwelche bürokratischen Sicherheitsmaßnahmen. Seitdem ich mit ihm arbeite, ist nie etwas Schlimmes passiert. Er hat sich einmal einen Zehennagel abgerissen, aber sonst gab es nie irgendwelche gröberen Verletzungen. Meistens sind auch Stuntleute dabei, und die sichern hinter unserem Rücken ohnehin, soweit es geht.

Nach den vielen Filmen, die Sie zusammen mit Werner Herzog gemacht haben: Was muss ein Projekt haben, damit es Sie interessiert?

Es muss ein spannendes Thema sein. Wenn es politisch wichtig ist, ist es noch besser. Wenn es nicht in Zimmer, Küche, Kabinett mit weißen Wänden spielt, sondern in einer belebten Welt, in welcher Form auch immer, finde ich das spannend.

Sie haben jetzt zwei Filme mit James Franco gedreht, der ja auch nicht gerade als einfach gilt. Was sind das für Projekte, und wie sind sie zustande gekommen?

James Franco habe ich bei Werners Film Queen of the Desert kennen gelernt. Es kommt oft vor, dass Schauspieler, wie etwa auch Nicolas Cage, in Werners Filmen zu mir sagen, dass sie mich als Kameramann engagieren, sollten sie einmal bei einem Film selbst Regie führen. Weil ihnen meine Art gefällt, sie nicht einzuschränken und meine Arbeitsweise, dass ich die Szenen quasi in Realzeit umsetze, ohne stundenlang umzubauen und auszuleuchten. Val Kilmer wollte auch schon mit mir arbeiten, das kam aber leider nicht zustande, da wir nicht gleichzeitig Zeit hatten. Mit James Franco hat es geklappt, der letzte Film, Pretenders, war sehr spannend, da es eine Art Remake von Jules et Jim ist. Es spielt aber in den siebziger Jahren im Milieu von Studenten, die Godard-Fans sind. Es kommt sehr viel Godard-Ästhetik vor, und ich fand es sehr spannend, mich auf diese Weise mit Filmgeschichte und –ästhetik auseinanderzusetzen. James Franco ist sehr interessiert und versiert in allen Kunstgenres, er schreibt Romane, ist bildender Künstler, Schauspieler und Regisseur.

Welcher von allen Filmen, die Sie mit Werner Herzog gemacht haben, ist Ihr Favorit?

Mir ist grundsätzlich immer der Film, den ich gerade mache, der Liebste und von denen, die wir gemacht haben, würde ich sagen, dass Rescue Dawn am ehesten der Vision entsprach, die wir dafür vor Augen hatten. Je größer der Film ist, vor allem in Amerika, desto mehr wird er von Produzenten und Investoren beeinflusst, und Werner ist sehr gut darin, die alle fernzuhalten. Er schmeißt ja auch Produzenten vom Set, und die dürfen auch nicht auf den Monitor schauen. Trotzdem sind bei der Nacharbeit oft so viele Einflüsse und Mächte, die dann den Film verzerren. Das ist ein Riesenkampf, den man dann gewinnt, aber es gibt trotzdem einen destruktiven Einfluss der Produzenten. Bei Rescue Dawn war es so, dass der Film eigentlich vollkommen kollabiert und beinahe nicht fertig geworden ist. Da sind einige Dinge passiert, und dann hat Nick Raslan, Produzent und Freund von Werner, ihm geholfen, den Film fertig zu machen. So ist der Film dann quasi im Alleingang fertig gestellt worden, und er konnte so werden, wie ihn der Werner haben wollte.

Glauben Sie, dass er seinen 75. Geburtstag feiern wird?

Wir haben mit ihm seinen Siebziger gefeiert, aber das war eher Zufall, weil wir zu dem Zeitpunkt gemeinsam gedreht haben. Ob er diesmal feiert, weiß ich nicht, ich weiß momentan nicht einmal, wo er ist.