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Filmkritik

Immer noch eine unbequeme Wahrheit: Unsere Zeit läuft / An Inconvenient Sequel: Truth to Power

| Pamela Jahn |
Manche Wahrheiten muss man zwei Mal erklären

Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Da kann viel passieren – oder eben nicht. Einiges, aber noch lange nicht genug, so argumentiert Al Gore in An Inconvenient Sequel, sei immerhin gegen die sich abzeichnende Klimakatastrophe getan worden, seit der ehemalige US-Vizepräsident 2006 seine erste alarmierenden Dokumentation zum Thema vorlegte. Mehr noch: An Inconvenient Truth war und ist bis heute vielleicht das beste Beispiel dafür, wie man auch mit unangenehmen Wahrheiten ganz groß raus kommen kann, zumal der Film unter der Regie des renommierten Dokumentaristen Davis Guggenheim nicht nur einen Oscar gewann, sondern Gore kurz darauf für sein unermüdliches Engagement in Sachen Klimaschutz obendrein mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Die Frage, die sich nach einem guten Jahrzehnt unweigerlich aufdrängt, ist, wie es heute – nach dem Pariser Abkommen von 2015 und trotz Donald Trump – um den Klimawandel steht, und auch die Antwort ist wenig überraschend: Die Erderwärmung nimmt unaufhaltsam zu, das Eis in der Arktis schmilzt weiter und kaum ein Tag vergeht mehr, an dem nicht von einer Naturkatastrophe in irgendeinem Teil der Welt berichtet wird. Überhaupt scheinen sich sämtliche verheerenden Prognosen Gores über die zunehmende Anzahl und das Ausmaß von Stürmen, schmelzenden Gletschern, Dürren und Überflutungen bestätigt zu haben, ohne dass Gore die Menschen mit seinem unermüdlichen Dia-Show-Feldzug gegen die CO2-Emission von Kohle und Gas tatsächlich langfristig und spürbar zum Umdenken bewegt hätte. Natürlich stimmt das zunehmende Wachstum von Solarenergie zuversichtlich, und doch weiß man, dass sich damit allein die Lebenschancen zukünftiger Generationen trotzdem nicht wesentlich vergrößern lassen.

Allein schon deshalb ist An Inconvenient Sequel ein mindestens genauso wichtiger, wenn auch in der Umsetzung weniger beeindruckender Film wie sein Vorgänger. Nicht nur weil er zeigt, wie Al Gore mit den diversen Rückschlägen umgeht, die er auf seiner Herzensmission immer wieder einstecken muss. Sondern vor allem, weil er den Finger erneut in die offene Wunde legt und vor Augen führt, wie wichtig die Reduzierung der Treibhausgase im Kampf um den Erhalt der Erde ist. Dass sich die Regisseure Bonni Cohen und Jon Shenk dabei formal zu sehr auf Altbewährtes stützen und Gore lediglich weiterhin stets in Aktion, bei seinen diversen Vorträgen oder auf Reisen, zeigen, um damit die Dinge ebenfalls in einen regional- und weltpolitischen Zusammenhang zu setzen, kann streckenweise mühsam erscheinen, oder auch selbst plakativ. Dennoch liefert der Film eine ernstzunehmende, mitunter bestürzende Zwischenbilanz, die der Zukunft zugleich hoffnungsvoll und mit Schrecken entgegensieht.