ray Filmmagazin » Dokumentarfilm » Was uns bindet

Filmkritik

Was uns bindet

| Angela Sirch |
Beklemmendes, sehr persönliches Familienporträt und Sittenbild

Seit fast 50 Jahren sind Irene und Werner Löcker, die Eltern der Regisseurin, verheiratet. Sie leben gemeinsam und doch getrennt in ihrem Haus in St. Michael im Lungau. Er bewohnt das untere Stockwerk, sie das obere. Seit 18 Jahren haben die beiden dieses Arrangement, und als Werner Löcker beschließt, seinen Töchtern das alte, halb verfallene Bauernhaus zu vererben, bringt es die Familie wieder zusammen an den Ort, an dem die Kinder groß geworden sind und die Ehe, die nach wie vor auf dem Papier besteht, in die Brüche ging. Ivette Löcker stellt Fragen, nach den elterlichen Gemeinsamkeiten, ob es diese überhaupt noch gibt, und zeigt Irene und Werner Löcker in ihren ganz persönlichen Eigenheiten. Der Vater, der trotz seiner kaputten Knie ständig auf Achse ist und allen in seinem Umfeld glaubt erklären zu müssen, was sie wirklich brauchen. Die Mutter, die ihren Garten, das Kochen und die Hündin Daisy liebt und immer wieder in Selbstmitleid verfällt, wenn sie sich vor Augen hält, dass ihre Kinder alle aus der Heimat weggezogen sind.

Löcker zeichnet ein filmisches Familienporträt, vielleicht vordergründig aus dem Wunsch heraus, die Familienverhältnisse tiefgreifender aufzuarbeiten. Doch die Regisseurin präsentiert mit diesem sehr persönlichen Film gleichzeitig auch ein Sittenbild des Lebens auf dem Land und einer ganzen Generation. Die Paar-Konstellation, auf die man bei Irene und Werner Löcker trifft, ist den meisten von uns vermutlich schon öfter begegnet: Man heiratet jung, die Frau hat kaum Ausbildung und zieht sich in den Haushalt zurück, egal ob gewollt oder nicht, der Mann arbeitet und sieht sich selbst immer wieder in der Rolle bestätigt, derjenige zu sein, der die Entscheidungen zu treffen hat. Man baut ein Haus, begleitet von Schulden, gründet eine Familie, und irgendwann stellt man fest, dass man sich nichts mehr zu sagen hat – und wenn doch, dann ist es nichts Nettes.

Es ist die ewige Geschichte von vorgefertigten Rollenverteilungen und Lebensplänen. Man könnte sich doch trennen? Vielleicht könnte man sogar jemand Neuen kennen lernen, mit dem man den Lebensabend genießt? Doch stattdessen zankt man sich und überlegt, wie man beerdigt werden möchte. Sei es die Angst gegen den gesellschaftlich akzeptierten und von fast allen praktizierten Lebenswandel zu verstoßen oder die Angst vor dem Alleinsein, der Zuschauer verfolgt eine Verbindung zweier Menschen, die in vielen Momenten beklemmend ist, aber auch zur Reflexion der eigenen Beziehungskonstrukte animiert.