„This film is in sign-language of deaf-and-dumb. There are no subtitles and no voice-over.”
Das sind die einzigen Worte, die in den 132 Minuten von Plemya vorkommen.
Der Film ist ein Experiment. An sich. Aber auch für mich. Ohne Erwartungen betrat ich den Saal des Metro Kinos. Die nächsten zwei Stunden waren von einem Film erfüllt der vieles war: traurig, frustrierend, grausam, nah… und vor allem anders als alle Filme, die ich zuvor gesehen hatte.
Aufgrund des oben zitierten Hinweises hatte ich für einige Sekunden das Bild eines komplett stummen Filmes in meinem Kopf, von einem Kinosaal, in dem man eine Stecknadel fallen hören könnte und unklaren Bildern auf der Leinwand. Doch sobald der Film anfing, wurde klar, dass Myroslav Slaboshpytskiy in Wahrheit die Welt genauso abbildet wie wir sie kennen – oder auch nicht, wie wir sie kennen, aber auf jeden Fall mit denselben Rahmenbedingungen – nur eben ohne gesprochene Sprache.
Ein Junge kommt neu in ein Internat für Taubstumme. Es ist ein eher frostiger Empfang, seine Mitbewohner in der Schule piesacken ihn. Bald wird er jedoch in eine Gruppe von Jugendlichen aufgenommen. Sie rauchen und trinken, doch ihren Alkohol und ihre Zigaretten kaufen sie nicht, sondern sie überfallen andere Menschen, um an alle möglichen Dinge und Geld zu gelangen – der Zuseher erfährt allerdings nicht, wozu sie das genau machen. Vermutlich sind es diese Straftaten, die die Gruppe zusammenhelten. Mit dem Neuen sind es fünf Jungen, die besagte Straftaten begehen, und zwei Mädchen, die sich prostituieren. Eines der Mädchen ist mit dem Anführer der Gang zusammen. Es ist jedoch ziemlich offensichtlich, dass sich der Neuzugang in sie verliebt hat. Es kommt, wie es kommen muss, sie schlafen miteinander – wenn es auch von ihr aus eher gezwungen wirkt. Die Raubzüge gehen weiter, die Jugendlichen wenden immer mehr Gewalt an, und nachdem der frühere Zuhälter der beiden Prostituierten überfahren wird, steigt der neue Junge zum Zuhälter der Beiden auf. Als schließlich jedoch der Freund des Mädchens von dem Betrug erfährt, nimmt die Gewalt überhand.
Einer der verstörendsten Aspekte der Geschichte ist die Wandlung der Hauptfigur. Anfangs scheint er ein netter, unschuldiger Junge zu sein, der bei allen Aktivitäten nur mitmacht, weil er sonst zum Außenseiter werden würde. Doch mit der Zeit scheint er immer abgestumpfter gegen die Brutalität zu werden, bis er schlussendlich sogar von sich aus Gewalt anwendet.
Obwohl man vielleicht annehmen würde, dass in einem Film, der nur von Bildern lebt, etwas Entscheidendes fehlt, ist dem nicht so. Durch die Abwesenheit von Musik und Dialogen ist man gezwungen näher hinzusehen, noch besser aufzupassen und sich intensiver mit den Charakteren auseinanderzusetzen.
Plemya ist – ich wage sogar zu sagen, egal, ob einen die Storyline anspricht oder nicht – ein Erlebnis. Bei der Viennale gibt es allerdings keinen weiteren Termin.
