Filmkritik

The Mule

| Jörg Schiffauer |
Ein älterer Herr gerät in die Fänge eines berüchtigten Drogenkartells.

Mit der Zuschreibung „Ikone“ sollte man nicht inflationär umgehen, doch kaum jemand verdient sie mehr als Clint Eastwood. Seine Western-Auftritte als wortkarger Gunslinger und unerbittlicher Cop „Dirty Harry“ in den sechziger und siebziger Jahren sind zweifellos legendär. Den Erfolg als Schauspieler nutzte Eastwood schon bald, um eigene Regieprojekte zu verwirklichen, 37 Spielfilme hat er mittlerweile inszeniert. Um Zeitgeist oder vermeintlichen Publikums­geschmack hat sich Eastwood dabei wenig geschert, sein geradliniger Inszenierungsstil hat sich dabei an höchst unterschiedlichen Sujets bewährt.

Eine Konsequenz, die sich auch in Eastwoods aktuellem Streich deutlich widerspiegelt. Im Mittelpunkt von The Mule – übrigens auf  tatsächlichen Begebenheiten basierend – steht der von Eastwood selbst gespielte Earl Stone, der jahrzehntelange harte Arbeit in seine Orchideen­zucht gesteckt hat. Die völlige Konzentration auf die Firma hat dazu geführt, dass seine Ehe vor langer Zeit zerbrochen und seine Tochter ihm völlig entfremdet ist. Als der kleine Betrieb mitsamt Earls Haus schließlich doch zwangsversteigert werden soll, steht der alte Mann vor dem Nichts. Völlig überraschend tut sich ein Ausweg aus seiner misslichen Lage auf, als ihm ein einträglicher Job, bei dem er nur ein Paket in seinem alten Lieferwagen zu transportieren hat, angeboten wird. Earl Stone durchschaut mit der Zeit, dass er als Drogenkurier für das berüchtigte Sinaloa-Kartell fungiert – und weil kein Gesetzeshüter dem älteren Herrn so etwas zutraut, ist er bald das beste Maultier im Stall des organisierten Verbrechens.

Schnörkellos, unterlegt mit einem lakonischen, beinahe fatalistischen Grundton, setzt Clint Eastwood The Mule, der wie viele seiner Regiearbeiten auch ein Stück Americana repräsentiert, in Szene. Und es ist ein durchaus bitterer, sarkastischer Blick, den Eastwood im Fahrwasser des dramatischen Haupterzähl­strangs auf „God’s Own Country“ wirft. Deutlich wird dabei die Lebensrealität jener Bürger, die um ihre Existenz ringend sich mühevoll bis zum nächsten Lohnscheck durchhangeln müssen. So bleibt auch Earl Stone, als hart schuftender, aufrechten Mann und Veteran aus dem Korea-Krieg, eigentlich der Vorzeige-Amerikaner traditionellen Zuschnitts, kaum eine Wahl. Nicht, dass er sich in der Rolle des Drogen­kuriers wohlfühlen würde, doch für Bedenken ethischer Art bleibt in seiner Lage einfach kein Platz. Clint Eastwood agiert dabei als Regisseur und Darsteller souverän, konsequent unprätenziös und vor allem ohne falsche Sentimentalität, gerade dadurch gelingt es ihm, die moralische Ambivalenz der Geschichte glaubwürdig zu machen.