Gelungene Variation des „Haunted-House“-Motivs
Warum drehen die romanischen Länder bloß so viel unheimlichere Horror-Filme als Deutschland, das doch auch eine Tradition des gotischen Grusels und der romanischen Schauermär kennt? Die Antwort darauf gibt eindrucksvoll Malasaña 32. Der erst 35-jährige, aus Terressa in der katalanischen Provinz Barcelona stammende Regisseur Albert Pintó , der bereits mit dem Kurzfilm RIP und seinem abendfüllenden Debüt Killing God – Liebe Deinen Nächsten (Matar a Dios, 2017) für Furore gesorgt hat, legt nun mit einer sehr eigenständigen Mischung aus William Friedkins The Exorcist und Stanley Kubricks The Shining wohldosierte Schockeffekte und eine tragische Transgender-Familiengeschichte nach.
Wir schreiben das Jahr 1976: Das Franco-Regime liegt nach dem Tod des Diktators nur wenige Monate zurück. Wie viele andere Spanier auch zieht Manolo Olmedo zusammen mit seiner Frau Candela, deren Vater Fermin und den Kindern Pepe, Amparo und Rafael vom Land in die große Stadt, wo er sich ein besseres Leben erhofft. Die Familie bezieht ein möbliertes Apartment mit für die damalige Zeit großem Luxus wie Fernseher und Plattenspieler ausgestattet. Aber es dauert nicht lange, da stellt sich heraus, dass beim Kauf wesentliche Informationen vorenthalten wurden. Während die Eltern sofort ihre neuen Arbeitsstellen antreten müssen, soll sich die große Schwester um den kleinen Rafa und ihren kranken Opa kümmern. Schwierig genug, denn die zwei benehmen sich seit der Ankunft im Haus merkwürdig. Und plötzlich ist auch noch der Junge spurlos verschwunden …
Die Olmedos sind in der Wohnung nicht alleine. Schlimmer noch als diese Erkenntnis ist die Tatsache, dass das pure Böse nach den neuen Bewohnern greift! Albert Pintó zieht die Spannungskurve im Verlauf von knapp zwei Stunden gewaltig an. Der Horror vermittelt sich vor allem über die Tonspur: Knarrende Türe, Knalleffekte und kakophonische Musik in Kombination mit der weiträumigen, aber nach einem Stromausfall dunklen Wohnung schaffen eine Atmosphäre des Grauens. Die Geheimnisse, die sich um das Heim der Olmedos ranken, werden erst buchstäblich im letzten Moment gelüftet. Die Schlusssequenz, in der die vorher unsichtbar im Hintergrund agierende Clara im Zentrum des Schreckens steht, ist nichts für schwache Gemüter, aber dennoch auch ungeheuer berührend – im Wortsinn! Die stilsicheren Bilder von Kameramann Daniel Sosa Segura, die vor allem auf gedeckte Farben setzt – im Gegensatz zur poppig-bunten Welt des Kaufhauses, wo Candela tätig ist –, deutet oftmals den Horror mehr an, als ihn direkt zu zeigen, was eigene, furchteinflößende Bilder im Kopf des Betrachters entstehen lässt. Abzüge in der guten Gesamtnote gibt es für den von den gleich vier Drehbuchautoren nur oberflächlich angerissenen, vermeintlichen Bezug zur Franco-Diktatur, die keinen weiteren Einfluss auf das Familiendrama hat.