Zeitlose Sisterhood in Bayern: ein wunderbarer Film über das, was bleibt, wenn sich alles verändert
Wo anfangen? Der Film tut es, trotz strudelnd die Zeiten ineinander verschachtelnder Anfangssequenz, genau da: Am Beginn. Heißt, Jannas Urgroßmutter eröffnet in der Zwischenkriegszeit ein Café am Walchensee. Auch deshalb, weil sie ihre andere Tochter an die Spanische Grippe verliert, sei ihre Tochter Norma überaus gehorsam und stark darauf bedacht gewesen, den Eltern alles recht zu machen. Heiraten wird Norma später einen Künstler, nicht ahnend, dass ein weiterer Weltkrieg naht, aus dem der Ehemann und Vater verändert zurückkehrt. Das Paar hat zwei Töchter. Eine von ihnen, die ältere und schüchternere Anna, erzählt, inzwischen – das heißt eigentlich „jetzt“, aber dieses filmische Jetzt zeigt wunderschön, wie die Gegenwart aus der Vergangenheit erbaut ist – selbst merklich gealtert, in Walchensee Forever hauptsächlich. Sie ist Jannas Mutter. Janna hat diesen Film gemacht. Die Regisseurin befragt ihre Mutter und ihre Großmutter über deren Leben und das Leben ihrer Tante, die sie nie kennenlernte: Frauke.
Diese Beschreibung alleine lässt noch nicht erahnen, wie ungewöhnlich und kurzweilig hier beinahe zwei Stunden vergehen. Die Gespräche der Frauen-Generationen erzählen von Abenteuern in Mexiko, den USA und Indien, von Zusammenkommen und Auseinandergehen, von großem Glück und großer Tragödie. Obwohl sich bei weitem nicht alles davon am Walchensee ereignet, ist der Ort familiärer Verankerung ein stets präsenter Angelpunkt, mit dem auch die Lebensgeschichte von Anna, die sowohl in den Staaten als auch in der berühmt-berüchtigten Kommune I in Berlin gelebt hat, immer wieder zusammenfällt. Der See spricht dabei mit, auch wenn er uns nur aus der Weite oder in Blicken aus dem Haus heraus begegnet: Er unterbricht, Wasser und Wind bekräftigen und entmachten alles Gesagte und Erzählte gleichermaßen.
Auf der menschlichen Seite wiederum ist es Anna Werners Schwester Frauke, der als nicht anwesender Figur eine große Rolle zukommt. Noch beeindruckender als die anderen ohnehin, lebt Frauke im den Film maßgeblich konstituierenden Fotografie- und Filmmaterial der Dekaden. Überhaupt konstruieren Janna Ji Wonders und ihre Editorin Anja Pohl Bild-Text-Scheren, die ihre Dokumentation spannender machen als viele Fiktion.
Und bringen es zustande, nicht nur eine weiblich perspektivierte, von Verwurzelung, Auflehnung und Transformation geprägte Familienchronik zu erzählen, sondern die Frauen auch als Individuen zu porträtieren – ob sie (noch) da sind, einmal da waren oder gerade dabei sind, zu gehen.