Filmkritik

Benedetta

| Jörg Schiffauer |
Paul Verhoevens Geschichte einer Nonne

Schon der Titel der Buchvorlage, auf der Benedetta basiert, macht ein gewisses Maß an Brisanz deutlich: „Immodests Acts: The Life of a Lesbian Nun in Renaissance Italy“, 1986 veröffentlicht von der Historikerin Judit Cora Brown, die u. a. eine Professur an der Universität Stanford innehatte. Nun umgibt einige Filme aus Verhoevens veritablem Œuvre ohnehin jene Art von skandalträchtiger Aura, die vermuten lässt, dass seine Version der Biografie der titelgebenden Nonne Benedetta Carlini diesen Ruf weiter festigt. Wobei da zunächst ein Einschub notwendig erscheint, denn um Provokation allein ist es Paul Verhoeven nie gegangen.

Zweifellos hat er schon in frühen, noch in seiner niederländischen Heimat gedrehten Filmen einen durchaus offenherzigen Zugang in Sachen Erotik gepflegt, doch – wie im Fall von Türkische Früchte (1973), der für den Oscar nominiert wurde – geschah dies in einem dramaturgischen und inhaltlichen Kontext. Als Verhoeven später groß budgetierte US-Produktionen übernahm, sorgte er mit drastischen Gewaltdarstellungen für Aufsehen. Dabei unterlief er jedoch auf beinahe hinterfotzige Weise die Mechanismen der Kulturindustrie, indem seine Inszenierungen gängige Genre-Elemente ausreizte, um dann mittels Überzeichnung besagte Wirkungsweisen geradezu hohnlachend aufzudecken.

Das Changieren zwischen besonders griffigem Genrestück und Überhöhung gelang Verhoeven mit Robocop vortrefflich, im Fall von Starship Troopers war das Resultat ein wenig zwiespältig – was neben Robert Heinleins ambivalenter Romanvorlage auch daran gelegen haben mag, dass Verhoevens gewagtes Spiel mit faschistoider Bildästethik Missverständnisse geradezu herausforderte.

Doppelbödigkeiten lässt Verhoeven bei der Geschichte Benedettas, die als junges Mädchen in ein Kloster eintritt und ihre Frömmigkeit sehr offensiv vor sich her trägt, außen vor und kommt direkt zur Sache. Die homoerotische Beziehung Benedettas mit einer Novizin handelt seine Inszenierung pflichtschuldig ab; dass eine Marienfigur zum Sexspielzeug umfunktioniert wird, erscheint als eher aufgesetzt. Der spannendere Handlungsfaden ist zweifellos die zunehmende Verehrung Benedettas als Mystikerin, nachdem sie Stigmata vorweist – oder das vielmehr vorgibt. Obwohl beinahe jeder der Kirchenhierarchie das Possenspiel durchschaut, lässt man sie aus höchst weltlichen, egoistischen Motiven zunächst gewähren. Die Kirche und ihre Würdenträger zwischen Spiritualität und Opportunismus – das wäre der richtige Stoff für Verhoeven, den er jedoch nicht so ausschöpft, wie man es von ihm gewohnt ist.