Die vielen Gesichter des Rory Kinnear
Alex Garland hat sich mit Filmen wie Ex Machina und Annihilation bisher vor allem als Sci-Fi-Experte einen Namen gemacht. Den Weg bahnte sich der Regisseur und Autor mit seinen Drehbüchern für Danny Boyle, unter anderem zu Sunshine und 28 Days Later, sowie der Leinwandadaption von Kazuo Ishiguros Bestseller Never Let Me Go. Dass er sich jedoch auch in anderen Genres auskennt, bewies er bereits 1996 mit seinem Abenteuer-Debütroman The Beach, den Boyle später mit dem jungen Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle verfilmte. In Men begibt sich Garland nun auf die Spuren der Sage vom Grünen Mann in einem Folk-Horror-Psychodrama nach bester britischer Tradition, das er mit dem bisher viel zu oft nur im Hintergrund agierenden britischen Schauspieler Rory Kinnear im prominenten Dauereinsatz in die Gegenwart holt.
Die Kulisse ist ein abgelegenes, aufgemöbeltes elisabethanisches Herrenhaus im englischen Hertfordshire. Dorthin verschlägt es die junge Harper (Jessie Buckley), die aufs Land gekommen ist, um sich von den tragischen Ereignissen zu erholen, die ihr Londoner Großstadtleben vor kurzem erschüttert haben. Ihr Trauma hängt mit ihrem Partner (Paapa Essiedu) zusammen, der depressiv, handgreiflich und passiv-aggressiv war. Jetzt will sie nur eins: Ruhe finden, um ihre Seele zu heilen.
Doch auch in der dörflichen Idylle sind ihr die Männer nicht wohlgesonnen: Der Hausherr, von dem Harper die Unterkunft gemietet hat, ist ein seltsamer Kauz, der sie schräg anlächelt, weil sie einen der Äpfel vom Baum im Vorgarten gegessen hat. Bei einem Spaziergang im Wald entdeckt sie in der Ferne einen nackten Mann, der ihr nach Hause folgt und sie bedroht. Der Polizeibeamte, der den Störenfried schließlich festnimmt, wirkt dabei genauso unsympathisch und zwielichtig wie der schmallippige Priester, der ihr andeutet, dass sie für ihr Schicksal ganz allein verantwortlich ist.
Wie in seinen bisherigen Regierarbeiten deutet auch Men darauf hin, dass es Garland um die Erkundung von Mechanismen und komplexen Sachverhalten geht, die unser Menschsein betreffen, ohne dass er zu einer eindeutigen Aussage kommt. Zwar gelingt es ihm von häuslicher Gewalt bis hin zu emotionaler Erpressung etliche Taktiken bloßzustellen, die Männer immer wieder gegen Frauen richten. Nur geht er anschließend nicht weiter darauf ein, sondern konzentriert sich stattdessen lieber auf die Herausforderungen, die sein Visual-Effects-Supervisor David Simpson zu meistern hat. Aber selbst dessen beachtliche Verdienste bleiben hinter der enormen Spiel- und Wandlungskunst Kinears – er verkörpert mehrere der Dorfbewohner – zurück, dem es schließlich gelingt, den Film ins gesunde Horror-Mittelmaß zu retten.