Vertane Chance: Zu harmlose Filmbiografie über den jüdischen Felix Krull im Dritten Reich
Tom Sawyer aus Bergisch-Gladbach mutiert zum jüdischen Felix Krull im Dritten Reich. Dies ist, so abwegig es vielleicht zuerst anmuten mag, der Eindruck, den man am Ende von Der Passfälscher gewinnt. Der Filmbiografie, welche dem Grafiker Cioma Schönhaus (28. September 1922 bis 22. September 2015) zum 100. Geburtstag ein Denkmal setzt, fehlen allerdings zwei Dinge: Mut und handwerkliche Mittel, um eine Geschichte, die nur das wahre Leben schreiben konnte, mit der nötigen Chuzpe zu erzählen.
Berlin ,1942: Cioma Schönhaus (Louis Hofmann) ist 21 Jahre alt, gutaussehend, voller Tatendrang – und jüdischer Herkunft. Anstatt sich vor den Nationalsozialisten zu verstecken, flüchtet er – etwa getarnt als Marineoffizier – ins Rampenlicht! Er besitzt nämlich das außergewöhnliche Talent des Fälschens. Doch Cioma setzt diese oftmals mit krimineller Energie verbundene Fähigkeit für einen guten Zweck ein: Er schützt damit sich und andere vor dem Zugriff der Nazis. Zusammen mit seinem Freund Det Kassriel (Jonathan Berlin) übt er sich im Fabrizieren von Ausweisdokumenten. Die in die Pläne eingeweihte Gerda (Luna Wedler), in die er sich unsterblich verliebt hat, unterstützt ihn bei diesem gefährlichen Vorhaben. Denn: Je mehr Menschen die drei Freunde vor der Deportation bewahren, desto enger zieht sich die Schlinge um sie selbst zu.
Was als Tanz auf dem Vulkan den Stoff für einen fabelhaften Film hätte abgeben können, wird im Angesicht der allgemeinen Bedrohung durch die NS-Diktatur zu harmlos auf der Leinwand dargestellt. Der wahre Cioma Schönhaus sah sich nach eigenen Angaben als „Playboy“. Der in Bergisch-Gladbach geborene, einstige Tom-Sawyer-Kinderdarsteller Louis Hofmann, der diesen Part gleich zwei Mal 2011 und 2012 unter Regie von Hermine Huntgeburth übernahm, spielt dafür viel zu schüchtern und hat nur Augen im Kopf für die attraktive Gerda (Luna Wedler).
Auch wenn sich Der Passfälscher auf der Mitte August 2022 von „German Films” veröffentlichten Shortlist von Filmen befindet, die als deutscher Beitrag für die Oscar-Verleihung 2023 in der Kategorie „Bester Internationaler Film“ eingereicht wurden – nominiert ist mittlerweile Edward Bergers Im Westen nichts Neues –, fehlen Regisseurin Maggie Peren die inszenatorischen Mittel. Zu ihrem unterentwickelten Drehbuch gesellt sich die mangelhafte Ausstattung: 90 Prozent spielen in vier bis fünf Innenräumen. Mehr als eine winzige Kopfsteinpflasterstraße gab das Budget offenbar nicht her, so dass Berlin im Kriegswinter kaum erkennbar ist. Ebenso wenig wie die gefährliche Lage, in der sich die immer mehr dezimierte jüdische Bevölkerung befand.