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Filmstart

Unser Kampf

| Jörg Schiffauer |
Drei Generationen einer Familie als Spiegel der gegenwärtigen israelischen Gesellschaft

Gleich zu Beginn scheint sich ein Kreis zu schließen. In der Eingangssequenz von Unser Kampf steht einer der Enkel von Mira Kurz vor der Tür jener Wohnung in der Rembrandtstraße im zweiten Wiener Gemeindebezirk, in der seine Großmutter als Kind gewohnt hat. Die 1930 geborene Mira, die damals noch Fritzi Rosenstock hieß, wurde schlagartig aus dieser Kindheit herausgerissen, als sie 1939 mit ihrer jüdischen Familie vor den Nazis aus ihrer Heimatstadt fliehen musste. Es sollte eine lange Flucht werden, die noch manche lebensgefährliche Situation mit sich brachte, ehe sie schließlich 1945 in Palästina ankam drei Jahre bevor der Staat Israel gegründet wurde. Dort nahm Fritzi nicht nur ihren neuen Vornamen „Miriam“ an, sie lernte auch ihren zukünftigen Mann Jakow kennen, Holocaust-Überlebender, dessen Familie in Auschwitz ermordet worden war. Simon Wieland lässt in seinem Dokumentarfilm Mira Kurz ihre Geschichte erzählen, auf ihre ganz persönliche Art. Dass der Regisseur ihre Erzählung streckenweise mit Archivmaterial unterlegt, erscheint manchmal ebenso redundant wie kontraproduktiv, hier hätte zumal Gespräche mit den Protagonisten ohnehin das zentrale Element von Unser Kampf darstellen – mehr auf die Kraft der „oral history“ vertraut werden können. Mira Kurz’ Lebenslauf steht dabei auch stellvertretend für die Geschichte des Staates Israel. Kaum in Palästina angekommen, begannen die nächsten Kämpfe: zunächst jener um die Gründung Israels, in den folgenden Jahrzehnten die Kriege mit den arabischen Staaten. Solche Erfahrungen haben naturgemäß prägenden Charakter, was sich auch anhand von Miras Familie widerspiegelt. Ihr Sohn und ihre Tochter sowie deren vier Kinder jeweils ein Sohn und eine Tochter erscheinen wie ein Querschnitt der israelischen Bevölkerung mit all ihren pluralistischen und widersprüchlichen Ansichten.

Miras Sohn Ari etwa konzediert, dass der Holocaust gleichsam in seiner DNS eingebrannt sei, er frage sich selbst in wunderschönen Momenten immer, was gleich Schlimmes passieren könnte. Und er, der natürlich in der Armee Israels gedient hat, habe immer gehofft, dass seine Kinder dies nicht mehr tun müssten, weil dann endlich Frieden sei. Obwohl man davon weit entfernt ist, geht die dritte Generation bemerkenswert gelassen mit der Situation um. Militärdienst ist (auch für Frauen) eine selbstverständliche Notwendigkeit, die Hoffnung auf eine friedliche Lösung hat man nahezu aufgegeben.

Ähnlich wie die Dokumentation Namrud (Troublemaker) – dort aus einer gänzlich anderen Perspektive – eröffnet Unser Kampf einen Blick auf die Gesellschaft Israels mit all ihren Facetten. Ein Blick der vor allem deutlich macht, dass es auf komplexe Fragen keine stringenten Antworten gibt.