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Knock-at-the-Cabin

Filmstart

Knock at the Cabin

| Marc Hairapetian |
M. Night Shyamalan gestaltetet ein meisterliches Horror-Kammerspiel.

M. Night Shyamalan ist eine cineastische Wundertüte: Ihm gelangen anspruchsvolle Blockbuster wie The Sixth Sense (1999) und Unbreakable (2000), aber auch formal-kommerzielle Flops wie Lady in the Water (2006) und The Happening (2008). Seit der von ihm großteils selbst finanzierten Groteske The Visit (2015) steht der Regisseur, Drehbuchautor, Produzent und Schauspieler in der Gunst der Zuschauer und Kritiker wieder ganz oben. In Knock at the Cabin geht es auch um einen Besuch, aber einen der noch verstörenderen Art; dem Spezialisten für Mystery-Thriller mit finalem Plot-Twist ist damit eine seiner bisher besten Arbeiten gelungen. Sein beklemmendes Kammerspiel basiert auf keinem eigenen Stoff, sondern auf dem 2018 als E-Book erschienenen Roman „The Cabin at the End of the World” von Paul Tremblay. Shyamalan zementiert darin in gedanklich herausfordernder Manier seinen eigenen Ausspruch: „Der Horror in meinen Filmen ist nur eine Haube, die den Zuschauer gefangen nehmen soll, damit er genauer zusieht und genauer zuhört.“

Was so idyllisch für das Paar Eric (Ben Aldridge) und Andrew (Jonathan Groff) samt Adoptivtochter Wen (Kristen Cui) beginnt, endet in einem Wirklichkeit gewordenen Alptraum: In einer einsam gelegenen Hütte können die drei nicht zur Ruhe kommen, denn beim Spielen im Wald trifft das kleine Mädchen auf den hünenhaften Leonard (Dave Bautista), der ihr verkündet, dass ihren Eltern eine schwere Entscheidung bevorstehen wird. Als noch weitere, mit grob zusammengezimmerten Mordwaffen ausgestattete Fremde auftauchen und die verängstigte Familie als Geisel nehmen, läuft die Situation völlig aus dem Ruder. Die vier apokalyptischen Reiter der Moderne verkünden das Ende der Welt. Die einzige Möglichkeit, die globale Katastrophe zu stoppen, wäre ein freiwilliges Menschenopfer von Eric, Andrew oder Wen.

Shyamalan zeigt zwar die immer blutiger werdenden Untaten nicht explizit, durch die zahlreichen Close-Ups der Protagonisten in der beengten Hütte potenziert sich das klaustrophobische Gefühl allerdings ständig. Der eigentliche Horror aber schleicht sich über die Tonspur in die Gehirnwindungen des Publikums. Das aggressive Klopfen an der Hüttentür und der brutal-düstere Score von Herdís Stefánsdóttir – der kontrapunktische Einsatz von ausgelassener Popmusik à la KC and The Sunshine Bands „Boogie Shoes“ erweist sich als kongenial – bleiben nach Ende des Films noch lange im Ohr hängen. Trotz des homosexuellen Vorzeige-Paars – exzellent gespielt von Ben Aldridge und Jonathan Groff, die sich auch im echten Leben geoutet haben – entlarvt Knock at the Cabin in so mancher Szene die vielzitierte „Political Correctness“ in ihrer gesellschaftlichen Scheinheiligkeit. Sind Eric, Andrew und Wen tatsächlich zufällig von den sektenartigen Eindringlingen ausgewählt worden? Die Antwort muss der Zuschauer selbst finden.

In bisher ungewohnte schauspielerische Höhen schwingt sich der ehemalige Wrestler Dave Bautista auf. Wenn der mit Tätowierungen übersäte Muskelberg übertrieben höflich agiert, während er allein durch seine körperliche Präsenz stets Gefahr vermittelt, gelingt ihm der Wandel zum Charakterdarsteller. M. Night Shyamalan gönnt sich selbst einen witzigen Cameo-Auftritt in einem ansonsten todernsten Mörderspiel.