Das Österreichische Filmmuseum widmet sich mit einer Retrospektive einem herausragenden Regisseur des US-Kinos: Sidney Lumet.
Am Ende bleibt Daniel Ciello nur ein resignierender Blick, der die emotionale Berg- und Talfahrt, die der Protagonist im Verlauf von Prince of the City erfahren musste, widerspiegelt. Jahrelang hat der Drogenfahnder eng mit den Justizbehörden zusammengearbeitet, um weitreichende Korruption innerhalb des Polizei- und Justizwesens aufzudecken. Eine Kooperation, die Ciello vor allem psychisch an seine Grenzen gebracht hat, auch weil er unter Kollegen als Verräter abgestempelt war. Als die juristische Seite endlich erledigt ist, vermeint Ciello, auch selbst mit all dem abschließen zu können. Doch als er sich seiner neuen beruflichen Aufgabe, der Ausbildung in Sachen Polizeiarbeit, zuwendet, ist die erste Frage, die ein junger Kollege inmitten eines vollen Hörsaals stellt: „Sind Sie der Detective Ciello?“ Als er das bejaht, meint besagter Kollege nur lapidar: „Dann glaube ich nicht, dass ich von Ihnen etwas lernen kann“ und verlässt den Raum. Und Ciello wird vor Augen geführt, dass sein persönliches Purgatorium noch lange nicht vorbei ist und vielleicht nie ganz aufhören wird.
Seit seinem Spielfilmdebüt 12 Angry Men hat sich Sidney Lumet über fünf Jahrzehnte als einer der markantesten Regisseure des US-amerikanischen Kinos etabliert, viele seiner Arbeiten haben längst Klassiker-Status. Daniel Ciello zählt dabei zu jenen in seinem Œuvre wiederholt auftauchenden Charakteren, die gezwungen sind, in emotionale Untiefen vorzudringen. Eine Herausforderung, die oftmals zur kaum noch zu bewältigenden Belastungsprobe wird und der Preis dafür ist, sich Fragen um Schuld, Verantwortung und vor allem persönliche Integrität – zentrale Motive bei Lumet – zu stellen. In Frank R. Cunninghams Buch „Sidney Lumet – Film and Literary Vision“ wird ein Satz Lumets zitiert, der den Kern seiner filmischen Arbeit ziemlich genau trifft: „The pictures I’ve done that I’m proudest of have something to say about the human condition.“
Früher Karrierebeginn
Schon im Kindesalter kam der am 25. Juni 1924 in Philadelphia geborene Sidney Lumet mit der darstellenden Kunst in Berührung. Sein Vater Baruch, der 1922 mit seiner Frau Eugenia aus seiner polnischen Heimat in die Vereinigten Staaten emigrierte, war als Schauspieler und Regisseur im Jiddischen Theater aktiv, 1928 stand Sidney erstmals auf der Bühne des Yiddish Art Theatre in New York, jener Stadt, in der die Familie Lumet mittlerweile übergesiedelt war. Es folgten regelmäßige Auftritte in einer wöchentlichen Radiosendung, die Baruch Lumet für einen kleinen Sender produzierte, ebenso weitere Bühnenrollen. Der Zweite Weltkrieg bedeutete eine Zäsur, Lumet leistete fünf Jahre Dienst in der US-Army. Nach seiner Entlassung wandte er sich bald der Regie zu, inszenierte zunächst Off-Broadway-Theaterstücke ehe er sich jenem Medium zuwandte, das in den fünfziger Jahren eine Blütezeit erlebte: dem Fernsehen. In dieser Dekade inszenierte Lumet dutzende Episoden von Serien wie Danger, Mama sowie The Alcoa Hour für CBS und NBC. Die Produktionsbedingungen dieser „goldenen Ära“ des Fernsehens, die ein höchst ökonomisches Arbeiten am Set einforderten, erwiesen sich offensichtlich als eine gute Schule für die Präzision, mit der Lumet später als Filmregisseur agieren sollte und bekannt dafür war, seinen Darstellern Höchstleistungen in Sachen Intensität abzuringen.
Bereits mit seinem ersten Spielfilm gelang Lumet ein Klassiker, der ihm eine entsprechende Reputation verschaffte.12 Angry Men (Die zwölf Geschworenen, 1957) konzentriert sich auf die Beratung der Geschworenen, die das Urteil über einen jungen Mann, der beschuldigt wird, seinen Vater getötet zu haben, sprechen sollen. Zunächst scheint die Stimmungslage klar, elf Männer votieren für einen Schuldspruch, nur der von Henry Fonda gespielte Geschworene Nr. 8 stimmt zur Überraschung aller für „nicht schuldig“. Dabei ist er selbst nicht völlig von der Unschuld des Angeklagten überzeugt, doch im Gegensatz zu den anderen Geschworenen liegt der Fall für ihn nicht so klar, besonders angesichts der Tatsache, dass ein Schuldspruch die Todesstrafe bedeuten kann. Also werden einige entscheidende Punkte, die im Verlauf der Gerichtsverhandlung zur Sprache gekommen sind, erneut einer kritischen Betrachtung unterzogen. Dabei kristallisiert sich heraus, dass die Dinge eben doch nicht so eindeutig sind, nach und nach kommen auch anderen Geschworenen jene begründeten Zweifel, die sie veranlassen, sich dem Geschworenen Nr. 8 anzuschließen.
12 Angry Men ist nicht nur ein wunderbares Beispiel für jene Form von publikumswirksamem „Message Cinema“, das von Regisseuren wie Robert Wise, John Frankenheimer, Sydney Pollack, Martin Ritt, Alan J. Pakula oder eben Lumet gepflegt wurde, sondern zeigt auch schon deutlich jene Form von moralischem oder sozialem Gewissen, das in Lumets Arbeiten immer wieder zum Tragen kommt. Verkörpert wird dieses Gewissen von jenem Geschworenen Nr. 8 – Henry Fonda, der mit etlichen Rollen in seiner illustren Karriere als Prototyp des „guten Amerikaners“ galt, war dafür eine Idealbesetzung –, der zunächst allein und trotz teils heftiger Angriffe darauf beharrt, den Dingen auf den Grund zu gehen und sich nicht nur mit den scheinbar offensichtlichen Schlussfolgerungen, die sich aus der in dem Prozess präsentierten Beweislage ergeben, begnügt. Der Geschworene Nr. 8 repräsentiert dabei den in Lumets Filmen wiederholt anzutreffenden Typus des allein Kämpfenden, der allen Widrigkeiten zum Trotz für seine Wertvorstellungen eintritt. Obwohl 12 Angry Men so grundlegenden Fragen wie der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit nachgeht, ist Lumets Inszenierung nicht didaktischer Natur, sondern erweist sich vielmehr als hochspannende Geschichte entlang eines traditionellen Sub-Genres wie dem Gerichtssaaldrama. Das Geschehen, das sich fast ausschließlich in einem einzigen Raum, dem Beratungszimmer der zwölf Laienrichter, abspielt und weitgehend in Echtzeit ablaufend erscheint, wird von Lumet auch formal kongenial zu einem Drama, das seine Spannungsbögen ausschließlich über die Dialoge zu generieren vermag, verdichtet. Zudem findet sich in 12 Angry Men auch bereits jener höchst schmerzliche Prozess, den Charaktere in Lumets Filmen oftmals durchlaufen müssen. Im Verlauf der jeweiligen Erkenntnisprozesse werden sie brutal mit sich selbst konfrontiert und gewinnen dabei Einsichten, die zunächst schmerzen. So wird im Verlauf von 12 Angry Men deutlich, dass manche Verweigerungshaltung gegenüber neu gewonnenen Einsichten schlichtweg auf – recht unangenehme – Persönlichkeitsstrukturen zurückzuführen ist, wie etwa die bigotten Vorurteile des von Ed Begley gespielten Geschworenen oder aber ein privates Trauma wie im Fall des Charakters, den Lee J. Cobb verkörpert.
In Fail-Safe (Angriffsziel Moskau, 1964) griff Lumet mit der Gefahr eines Atomkriegs, der in der Ära des Kalten Kriegs wie ein Damoklesschwert über der Menschheit hing, ebenfalls ein brisantes Thema auf. Im Gegensatz zu Stanley Kubricks sarkastischem Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb, der im gleichen Jahr seine Premiere feierte, nähert Lumet sich dem Sujet in Form eines formidablen Politthrillers. Die kammerspielartige Atmosphäre der Inszenierung verdeutlicht dabei auf zunehmend bedrückende Weise, dass die Krisensituation, die auf einem simplen technischen Versagen beruht – ein mit Atomwaffen bestücktes Geschwader der Air Force bekommt versehentlich einen Angriffsbefehl mit dem Ziel Moskau –, sich nach und nach zuspitzt.
The Hill (1965) rückt das Aufbegehren gegen institutionalisiertes Unrecht in den Mittelpunkt. Während des Zweiten Weltkriegs herrschen in einem Straflager der britischen Armee in Nordafrika unhaltbare Zustände. Die Soldaten, die dort wegen unterschiedlichster Delikte wie Befehlsverweigerung, Desertion oder Diebstahl einsitzen, werden von den Unteroffizieren mit einer gnadenlosen Härte schikaniert, die weit über erlaubte Disziplinierungsmaßnahmen hinausgeht. Gefürchtet ist besonders jener Drill, bei dem die Gefangenen in sengender Sonne wieder und wieder über einen aufgeschütteten Sandhügel gehetzt werden. Weil der kommandierende Offizier den Dingen ihren Lauf lässt, haben die Unteroffiziere weitgehend freie Hand im Umgang mit den Insassen, darunter fünf neu Eingetroffene. Unter denen befindet sich der vormalige Sergeant Major Joe Roberts (Sean Connery), der einen Vorgesetzten angegriffen hat, nachdem der einen sinnlosen Angriffsbefehl, der einem Selbstmordkommando gleichgekommen wäre, erteilt hat. Und Roberts beginnt auch im Militärgefängnis gegen das dort strikt praktizierte Prinzip von Befehl und Gehorsam aufzubegehren, obwohl ein solches Verhalten höchst riskant ist. Als einer der Gefangenen als Folge der Schikanen stirbt, verschärft sich die Situation. Lumet fokussiert auf die psychologische Seite der Auseinandersetzung zwischen Roberts – in seiner Unbeirrtheit eine typische Lumet-Figur – und dem Wachpersonal sowie die ambivalenten Reaktionen von Roberts’ Mitgefangenen.
Vielschichtigkeit
Schon dieser kurze Auszug aus seinem Schaffen zeigt die Vielfältigkeit an Sujets, die Lumet heranzieht, ein Eindruck, der sich mittels eines Blicks auf sein Gesamtwerk bestätigt. Neben Literaturverfilmungen wie The Fugitive Kind (Der Mann in der Schlangenhaut, 1960; basierend auf einem Bühnenstück von Tennessee Williams), der Adaption von Eugene O’Neills Long Day’s Journey into Night (1962), The Group (Die Clique, 1966; nach dem Roman von Mary McCarthy), The Seagull (Die Möwe, 1968; nach Anton Tschechows Drama) oder Equus (1977, basierend auf Peter Shaffers Drama), finden sich Komödien (Garbo Talks, 1984; Family Business, 1989), ein Agententhriller vor dem Hintergrund des kalten Kriegs (The Deadly Affair, 1967), eine Agatha-Christie-Adaption (Murder on the Orient Express, 1974), die zu einem fulminanten Rachedrama gerät, die herrlich bissige Mediensatire Network (1976), das düstere Justizdrama The Verdict (1982), der Neo-Noir The Morning After (1986) oder eine Familiengeschichte vor brisantem politischem Hintergrund wie Running on Empty (Die Flucht ins Ungewisse, 1988). Mit seinem genauen, unprätentiösen Regiestil versteht Lumet es, die höchst unterschiedlichen Milieus, die aus dieser Vielfalt an Themen und Genres resultieren, exakt und atmosphärisch dicht zu zeichnen. Doch ist es die von ihm angesprochene Konzentration auf die „human condition“, die seinen Regiearbeiten zu ihrer Sonderstellung verhilft. Kaum jemand gelingt es, die psychologische Seite – den menschlichen Faktor – derart intensiv auszuleuchten wie Sidney Lumet. Einen ganz besonderen Platz nimmt dabei The Pawnbroker (Der Pfandleiher, 1964) ein, der als eine der ersten US-Produktionen den Holocaust aus dem Blickwinkel eines Überlebenden thematisiert. Der von Rod Steiger gespielte Sol Nazerman, ein deutscher Jude, wird von den Nazis mit seiner Familie in ein Konzentrationslager verbracht, wo seine Frau und seine beiden Kinder ermordet werden. Nazerman überlebt und emigriert nach seiner Befreiung in die Vereinigten Staaten. Von den schrecklichen Erinnerungen gequält, betreibt er, der ehemalige Universitätsprofessor, in Spanish Harlem eine heruntergekommene Pfandleihe. Mittels zunächst blitzartiger Flashbacks, die nach und nach deutlicher werden, visualisiert Lumets Inszenierung das unsagbare Grauen des Holocaust, das Nazerman, der unter dem „Survivor Syndrome“ innerlich zerbrochen ist, immer wieder heimsucht.
In The Offence (Sein Leben in meiner Gewalt, 1973) ist ein Kriminalfall lediglich der Rahmen für ein psychologisches Drama, das den Protagonisten in finstere Abgründe blicken lässt. Der von Sean Connery verkörperte Detective Sergeant Johnson vermeint, kurz vor der Klärung eines Verbrechens, das dem lang gedienten Polizisten nahe geht – die Vergewaltigung eines kleinen Mädchens –, zu stehen. Als ein der Tat dringend Verdächtigter namens Kenneth Baxter (Ian Bannen) verhaftet wird, ist sich Johnson sicher, rasch zu einem Geständnis zu kommen. Doch das Verhör nimmt einen unerwarteten Verlauf und endet damit, – wie die Eingangssequenz von The Offence verrät – dass Johnson auf Baxter einprügelt. In der folgenden Einvernahme Johnsons durch einen Vorgesetzten (Trevor Howard) enthüllt sich, warum die Situation so eskalieren konnte. Mittels Rückblenden wird deutlich, dass das Verhör zu einem psychologischen Duell mutiert, bei dem sich die Kräfteverhältnisse zu verschieben beginnen. Baxter – dessen Schuld letztendlich offen bleibt – verweist Johnson auf dessen eigene finstere Gedanken, die der Polizist in den hintersten Ecken seines Kopfs verborgen hat. Und nach zwanzig Jahren Polizeidienst, bei denen Johnson mit jeder nur vorstellbaren Untat konfrontiert wurde, hat sich da einiges aufgestaut, was ihn schließlich gefährlich nahe an seinen psychischen Knackpunkt bringt. „While the goal of all movies is to entertain, the kind of film in which I believe … compels the spectator to examine one facet or another of his own conscience“, so Lumet. Dass in Fragen des Gewissens auch Ambivalenzen auftreten können, macht er mit The Offence schonungslos deutlich. Auch in Dog Day Afternoon (Hundstage, 1975) verweist Lumet auf Ambivalenzen moralischer Natur, die anhand der auf wahren Begebenheiten basierenden Geschichte offenkundig werden. Ein missglückter Bankraub führt zu einer Geiselnahme, die Verhandlungen zwischen der Polizei und den etwas tolpatschigen Bankräubern (gespielt von Al Pacino und John Cazale) mutiert zu einem Spektakel unter reger Anteilnahme von Medien und Öffentlichkeit. Doch die Farce, bei der die Räuber mehr Sympathien genießen, wird zur Tragödie …
In Serpico (1973) griff Sidney Lumet jenen Themenkomplex auf, den man vielleicht am häufigsten mit seiner Arbeit assoziiert: Korruption im Polizeiapparat. Im Mittelpunkt des auf der realen Lebensgeschichte der Titelfigur basierenden Plots steht Frank Serpico (Al Pacino), der in den sechziger Jahren seinen Dienst bei der New Yorker Polizei beginnt. Doch der Idealismus des jungen Cops weicht bald schon Desillusionierung, als er sich mit den vorherrschenden Realitäten des Berufs konfrontiert sieht. Dazu gehört auch Bestechlichkeit auf vielen Ebenen. Die reicht von kostenlosen Mahlzeiten im Diner, wofür man bei falsch parkender Kundschaft schon einmal ein Auge zudrückt, bis zu Annahme von Schmiergeldern aus den Händen der organisierten Kriminalität. Serpicos Weigerung, sich daran zu beteiligen, stößt bei seinen Kollegen auf Unverständnis, man würde doch ohnehin nur Geld für „akzeptable“ Delikte wie etwa Buchmacherei annehmen, wo niemand Schaden nehme – ein merkwürdig anmutender Moralkodex innerhalb der Polizei, dem Frank Serpico so gar nicht folgen mag. Als er sich schließlich an Vorgesetzte wendet, muss er erleben, dass selbst hochrangige Beamte wenig Interesse haben, gegen die Korruption anzugehen und das vorherrschende System lieber weiterlaufen lassen. Trotzdem setzt Serpico seinen Kampf gegen diese Zustände unermüdlich fort, doch er sieht sich innerhalb eines Apparats, der ihn primär als Störenfried betrachtet, zusehends isoliert. Frank Serpico repräsentiert dabei geradezu exemplarisch den Typus des Einzelgängers, der unbeirrt für seine moralischen Überzeugungen eintritt, auch wenn er dafür einen hohen Preis, sei es auf persönlicher, beruflicher oder psychischer Ebene, zahlen muss.
Ähnlich verhält es sich mit dem Protagonisten aus Prince of the City, der ebenfalls auf wahren Begebenheiten basiert. Daniel Ciello (Treat Williams), Leiter einer Sonderheit der Drogenfandung, gilt als versierter Ermittler der New Yorker Polizei. Als er von einem Staatsanwalt, der in Sachen Korruption ermittelt, einvernommen wird – wenngleich gegen Ciello selbst zu diesem Zeitpunkt nichts vorliegt – kommt überraschend ein innerer Konflikt bei dem äußerlich so unerschütterlich wirkenden Cop zum Vorschein. „Ich wollte nur die Absolution“, wird Ciello im weiteren Verlauf des Geschehens seine Motivation erklären, mit der Staatsanwaltschaft zu kooperieren. Nach und nach wird deutlich, dass Ciello illegale Praktiken, die innerhalb des Polizeiapparats akzeptiert werden – wie etwa konfisziertes Geld verhafteter Drogenhändler einfach zu behalten –, nicht mehr mit seinem persönlichen Wertekompass vereinbaren kann. Dass jedoch zwischen dem Gesetz und Ciellos Kompass weiterhin manche Unschärfen bestehen, sorgt für stetig anhaltende Reibungsflächen. Doch sich einfach mit der Arbeit als verdeckter Ermittler, mit der man der Staatsanwaltschaft ein paar Ergebnisse in Sachen Korruption liefert, reinzuwaschen, erweist sich als trügerische Hoffnung. Die Untersuchungen ziehen immer weitere Kreise und Ciello wird so tief hineingezogen, bis es zuletzt keine wie immer gearteten Ausflüchte für ihn mehr gibt. Erst nachdem Daniel Ciello diese psychische Belastungsprobe, die einem Fegefeuer gleichkommt, durchgestanden hat, besteht die Chance, mit sich im Reinen zu sein – auch wenn ihn die Schatten der Vergangenheit, wie bereits eingangs erwähnt, nicht völlig loslassen. Das Thema Polizeikorruption griff Lumet in Q&A (1990) und Night Falls on Manhattan (1996) erneut auf.
Regiearbeiten wie etwa Serpico und Prince of the City sind jedoch nicht nur herausragende psychologische Dramen im Polizeimilieu, sie zeichnen auch ein authentisches Bild von New York mit vielen der Problemfelder, die sich in der Metropole in den sechziger und siebziger Jahren abzeichneten.
Mit Before the Devil Knows You’re Dead (2007) drehte Lumet seinen letzten Film. In der Geschichte um zwei ungleiche Brüder (gespielt von Philip Seymour Hoffman und Ethan Hawke), die ihre finanziellen Schwierigkeiten durch einen Überfall auf das Juweliergeschäft der Eltern lösen wollen, doch damit eine Tragödie auslösen, werden noch einmal alle Qualitäten, die seine Filme über Jahrzehnte hinweg auszeichneten, deutlich. Sidney Lumet verstarb am 9. April 2011 in New York City.