„Glück: Vielleicht ist das alles, was man wirklich braucht im Leben“. Das sagt der Taxifahrer Osman um 2 Uhr 15 nachts. Aber das ist ganz das Ende der Geschichte. Wie kam es dazu?
Um 21.30 Uhr nach der Pressekonferenz der Viennale: Die Mitglieder der diesjährigen Talent Press, darunter auch ich, stehen im Kreis bei einer Straßenbahnstation in der Nähe des Gartenbaukinos. Man hat von der Eröffnungsgala im Gartenbaukino gehört, und nach über zwei Stunden bei der Pressekonferenz, umgeben von professionellen Filmjournalisten, steigt uns vieren die Möglichkeit zu Kopf. „Sollen wir einfach fragen?“ Der jugendliche Wahnwitz sagt ja. Also zurück zum Kino, in die Menschenmenge, (durch Glück) genau den Mann, den wir gesucht haben, gefunden: Hans Hurch, seines Zeichens Festivaldirektor – sehr bekannt, auf der Veranstaltung sehr begehrt, doch aufgrund des beinahe schon fast leeren Kinos tatsächlich alleine anzutreffen. Und das Glück war auf unserer Seite: Ein paar Minuten später konnten wir uns über Einladungen zu DER Filmgala der Viennale freuen.
Fast forward zwei Wochen: 23. Oktober, 22.50 Uhr: Im Laufschritt versuche ich den richtigen Eingang des Wiener Rathauses, in dem die offizielle Viennale-Eröffnungsgala nach dem Screening des Eröffnungsfilms weitergeht, zu finden. Man sagte mir, ich solle um halb elf dort sein. Ich hoffe, ich komme noch hinein. Um den Eingang zu finden, braucht es keinen Plan. Der Menschenstrom, beleuchtet von den Scheinwerfern der herannahenden Taxis, aus denen weitere Gäste fluten, ist nicht zu übersehen. Ich lasse mich von der Menge in Richtung Eingang treiben. Bruchstücke von Unterhaltungen gelangen an mein Ohr, Viennale-Taschen der letzten Jahre werden zur Schau gestellt (die 2011er ist da mein ganz klarer Favorit), und hin und wieder erspähe ich ein mir entfernt bekanntes Gesicht. Glücklicherweise habe ich kein Problem hineinzugelangen.
Drinnen wartet das Rathaus mit den üblichen roten Teppichen, festlicher Beleuchtung und mühevoll kreierten Blumengestecken. Die wunderschön gedeckten Tische erstrecken sich durch den ganzen Raum – allerdings kann ich das nur aus nachher erworbenem Wissen sagen, bei meinem ersten Blick durch den Saal ist er so voll von Menschen, dass ich die Tische nicht einmal sehen kann. Während ich langsam durch den Saal manövriere (wortwörtlich, unbeschadet durch einen Parcours aus Taschen, Gläsern, Flaschen und Menschentrauben zu gelangen, ist nicht so einfach) fallen mir wieder die zwei Klischees, von denen mir einige „Alteingessesene“ bereits mehrfach berichtet hatten, ein. 1. Die Hauptmotivation der Galagäste sei das Buffet und 2. Die Hauptmotivation der Gäste sei, sich zu betrinken. Für beides bietet die Veranstaltung perfekte Voraussetzungen: Ein meterlanges Buffet und mindestens drei Möglichkeiten, Gratis-Getränke aller Art zu bekommen, lassen nichts zu wünschen übrig. Doch aus den Gesprächsfetzen lassen sich auch andere Motive heraushören – Kontakte werden geknüpft, zukünftige Projekte besprochen, der neueste Klatsch aus der Branche wird ausgetauscht. Und wenn das alles nicht als Gesprächsgrundlage taugt gibt es immer noch den Eröffnungsfilm Amour Fou, über den sich die Meinungen spalten.
Im Laufe des Abends sammelt sich bei mir eine ganze Liste an Tipps und Tricks für das Leben und die Gala im Speziellen an. Da wären zum Beispiel: Schreib immer dein Drehbuch, bevor du den Film drehst (oder drehe ohne Geld, da hast du die Wahl), stell dich beim Buffet in der Mitte an, da dort viel weniger Menschen sind, habe immer zwei Sitznachbarn, damit du gegebenenfalls dem Gespräch mit einem davon entfliehen kannst, und schau dir ganz generell einmal Inglourious Basterds an (Ein Muss, ja, ich weiß, wird auf jeden Fall nachgeholt). Außerdem weiß ich jetzt, dass man die Leute, die man sucht, zu 90 Prozent in der Raucherecke findet.
1.55. Uhr. Trotz all der interessanten Menschen, der Ratschläge, des guten Essens und der Gratis-Getränke haben Müdigkeit, Kälte und der Wille, diesen Text zu schreiben (und zu alldem noch in den ersten Vormittags-Film um 11 Uhr zu gehen) überhand genommen: Zeit, nach Hause zu fahren. Glücklicherweise finde ich sofort ein Taxi. Darin sitzt (wie könnte es anders sein) der wohl cinephilste Taxilenker Wiens, der mich nach Filmtipps für die Viennale fragt. Daraus entspinnt sich ein Gespräch, in dem er dann auch den Anfangs zitierten Satz sagt. Damit fasst er auch gleich den ganzen Abend zusammen: Ein Glück, dabei gewesen zu sein!