Pedro Almodóvar betreibt Sterbehilfe auf Englisch
Niemand stirbt gerne allein. Auch Martha (Tilda Swinton) nicht. Als Kriegsreporterin hat sie viel Leid gesehen, jetzt ist sie selbst an Krebs erkrankt. Unheilbar, im Endstadium. Aber hilflos auf den Tod warten kommt für sie nicht in Frage. Lieber nimmt die unerschütterliche Frau ihr Schicksal ganz bewusst in die Hand. Die nötige Pille hat sie sich im Darknet besorgt. Nun fehlt ihr nur noch die richtige Person an ihrer Seite. Sie will zum Abschied jemanden bei sich wissen. Nicht am Sterbebett, aber im Zimmer nebenan.
Nachdem ihr bereits drei Freundinnen den Wunsch ausgeschlagen haben, wendet sich Martha an Ingrid (Julianne Moore). Früher waren die beiden einmal eng. Gemeinsam haben sie die achtziger Jahre in New York durchlebt, bevor sich ihre Wege trennten. Heute ist Ingrid eine gefeierte Autorin, der Martha von ihrer schmerzhaften Vergangenheit als Teenagermutter und ihrer entfremdeten Tochter erzählt. Als sie im nächsten Atemzug das Thema Sterbehilfe anspricht, zögert Ingrid. Sie weiß um die emotionalen als auch die rechtlichen Komplikationen, die damit verbunden sind. Dennoch stimmt sie schließlich zu, Martha in ihrem Vorhaben zu unterstützen. In einer luxuriösen Villa außerhalb der Stadt soll es geschehen. „Ich habe einen guten Tod verdient“, erklärt Martha. Pedro Almodóvar hat für alles gesorgt.
The Room Next Door ist der neueste filmische Beitrag zum Thema Euthanasie. Bei den diesjährigen Filmfestspielen in Venedig erhielt der spanische Regisseur dafür den Golden Löwen. Eine streitbare Entscheidung, wie so oft, wenn es um Preise und Auszeichnungen in der Kinobranche geht. Wer Almodóvars Werk kennt, dürfte es schwer haben, den Film gegenüber seinen früheren, zutiefst berührenden spanischen Dramen wie Volver oder Sprich mit ihr zu verteidigen. Zum ersten Mal hat er jetzt einen Spielfilm in englischer Sprache gedreht. Keine einfache Aufgabe, wie sich zeigt.
Sein Glück, vielleicht seine Rettung ist, dass der mittlerweile 74-jährige Regisseur mit Julianne Moore und Tilda Swinton zwei Schauspielerinnen in den Fokus rückt, die jedem noch so flüchtigen, banalen oder abgehobenen Dialog eine Berechtigung verleihen. Und doch: Almodóvars typische heißblütige Lebhaftigkeit ist hier gedämpfter als sonst. Die kräftige Farben, die stilvolle Garderobe, die eindrücklichen Innenräume sind geblieben. Dennoch erscheint die Inszenierung seltsam unterkühlt, wirken die Gespräche mit ihren zarten philosophischen Anreizen oftmals bühnenhaft und steif. Tiefgründig oder tatsächlich lebensnah ist wenig an Almodóvars ernsthafter Auseinandersetzung mit dem Tod. Aber wenn schon Sterben, dann mit Stil. Marthas letzter Wille wird ihr erfüllt